DeutschEnglish

Neuartige Messtechnik zur Regelung von Plasmaprozessen

Auf Basis aktiver Plasmaresonanzspektroskopie misst die Multipolresonanzsonde die Elektronendichte in Niederdruckplasmen, die beispielsweise für Ätz- und Beschichtungsprozesse genutzt werden. Klare Sache, oder? „Anfangs musste ich auch häufiger nachfragen“, erinnert sich Maria Schnober lachend. Die 27-jährige ist eine von drei Gründern des angehenden Start-ups House of Plasma. Kompliziert klingende Begriffe kennt sie aus ihrem Management-Studium an der Ruhr-Universität Bochum. „Ich habe schon als Studentin mit dem Gedanken gespielt, Teil einer (Unternehms)Gründung zu sein. Dass es am Ende so technisch wird, hätte ich natürlich nicht gedacht. Meine Schwerpunkte waren Marketing und Vertrieb.“ Lange musste Maria Schnober aber nicht überlegen: „Das Team und die Idee von House of Plasma haben mich sofort begeistert.“

Aber wie kommt man im Fachbereich Management eigentlich mit so einem Vorhaben in Kontakt? Die Geschichte der Messtechnik beginnt – wie so häufig an der Universität – in der Forschung der RUB mit einer theoretischen Idee. Angetrieben von Prof. Brinkmann vom Lehrstuhl für Theoretische Elektrotechnik wird diese Idee in die Praxis umgesetzt. Die Mitarbeitenden der Universität entwickelten in Kooperationen mit diversen Forschungs- und Industriepartnern ein nachgefragtes Messequipment. Über 30 Fachartikel und viele Abschlussarbeiten sind inzwischen die Bilanz. Darunter die Promotion von Dr.-Ing. Moritz Oberberg.

„Moritz hat die Idee erstmals wirklich verfolgt, aus der erprobten Technik ein kommerzielles Produkt zu machen – und hat sich dafür Unterstützung gesucht“, erklärt Maria Schnober. Elektroingenieur Geoffrey Mellar ist ebenfalls Gründer und als Technologieexperte zu House of Plasma gestoßen. Die beiden suchten für das Gründerteam noch betriebswirtschaftliche Verstärkung. Dies haben sie in der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft gefunden – zunächst über einen Professor, dann bei den Studierenden, die in ihren Abschlussarbeiten das angehende Start-up als Fallbeispiel untersuchten. Maria Schnober war eine von ihnen. „Plasmatechnik war etwas ganz Neues für mich. Die ersten Erklärungen waren noch Böhmische Dörfer, aber mir wurde schnell klar, wie viele alltägliche Produkte eigentlich mit Plasma gefertigt werden.“

Ohne Plasmatechnik wäre unser tägliches Leben nämlich deutlich anders – insbesondere unkomfortabler. Moderne Elektronik, Glas- und Brillenbeschichtung sowie besonders robuste Werkzeuge: All das wäre ohne Plasma nicht möglich. Die Prozesse werden für Weltraum- und Photovoltaiktechnik benötigt, zum Produktschutz in Verpackungen, um funktionale Oberflächen zu schaffen (z.B. wasserabweisend), Schmuck zu verfeinern, Mikro- und Nanotechnologien zu ermöglichen… Zusammengefasst: Plasmatechnik bestimmt unseren Alltag mit, ein echter Hidden Champion.

Doch warum genau jetzt diese Messtechnik? Ein Plasma ist der sogenannte vierte Aggregatzustand nach fest, flüssig und gasförmig. In der Natur kennt man es auch als Sonne, Blitze oder Nordlichter. Ein Plasma entsteht, wenn Elektronen aus den Gasteilchen gelöst werden. Da sie negativ geladen sind, kann man sie in elektrischen und magnetischen Feldern gezielt bewegen. Und nur diese Tatsache führt dazu, dass die technischen Anwendungsprozesse möglich sind, die meist in großen Vakuumkammern laufen. Dadurch gibt es keinen einfachen Zugang zu diesen Prozessen. Zur Überwachung und Regelung können daher nur äußere Größen aufgenommen werden: Strom, Spannung, Leistung, Gasflüsse, Druck… In einigen Anlagen auch Strahlung (ein Plasma gibt Licht ab) oder Größen, die ein Schichtwachstum abbilden. Doch eigentlich ist es das Plasma, das am Ende das Produkt bestimmt. Es ist das Werkzeug zur Herstellung funktioneller Oberflächen und sollte den Anwendern eigentlich am besten bekannt sein – ein hoher Anspruch an ein äußerst komplexes physikalisches und chemisches Gebilde.

„Stellen Sie sich vor, Sie kochen ein Ei zum Frühstück“, erklärt Maria Schnober. „Das Ei soll das ‚perfekte‘ Eigelb haben, noch weich, aber auch nicht flüssig zum Beispiel. Doch alles, was Sie machen können, ist die Temperatur des Wassers zum Kochen oder vielleicht an der Eierschale zu messen.“ Mit Erfahrung kann das Ergebnis in etwa stimmen. Aber an High-Tech- Produkte mit einer enormen Performance werden natürlich andere Anforderungen gestellt. Die Messtechnik von House of Plasma setzt genau da an: Sie misst die entscheidenden Prozessparameter – und das auch noch in Echtzeit. Hier kommen wieder die Elektronen ins Spiel. Die innovative Messtechnik – basierend auf der Multipolresonanzsonde – kann die Anzahl der Elektronen und einige ihrer Eigenschaften aufnehmen und funktioniert eigentlich wie eine Antenne. Prozesse können so überwacht und geregelt, die Reproduzierbarkeit erhöht, Langzeitdrifts erkannt, sowie Produktions- und Reinigungszeiten optimiert werden. Das spart Zeit, Ressourcen und Geld.

Und ist Maria Schnober jetzt in der Technik angekommen? „Auf jeden Fall. Die technische Tiefe der anderen beiden erreiche ich nicht, aber mittlerweile bewege ich mich sicher durch das Thema und die Märkte“, sagt sie. „Das spannende ist ja: House of Plasma bietet eine sehr spezielle Lösung, von der aber sehr viele Branchen profitieren: Glas- und Optikbeschichtung, Werkstoffe, Photonik, Mikrosystemtechnik, Halbleitertechnik, u.v.m.“

Aktuell befindet sich das Vorhaben in einem Förderprojekt des Landes NRW mit EU-Mitteln. Zur Weiterentwicklung hat House of Plasma erfolgreich am High-Tech.NRW Accelerator teilgenommen, der vom Landescluster NMWP.NRW organisiert wurde. Über zehn Wochen wurde das Team strategisch begleitet. Auch technische Komponenten, das IP-Management und der Vertrieb wurden mit Hilfe von Mentorinnen und Mentoren angegangen. Insbesondere die industrielle Nähe des Programms und die technische Expertise für den Markt haben dabei geholfen. Noch in diesem Jahr soll die Ausgründung für das Team folgen.

Ansprechpartnerin:
Maria Schnober, M.Sc.

House of Plasma

Technologie

  • Plasmatechnik
  • Messtechnik

Innovation / USP

  • Innovative echtzeitfähige Mess- & Regelungstechnik für Plasmaprozesse

Zielmärkte

  • Glasbeschichtung
  • Photonik
  • Mikrosystemtechnik

www.house-of-plasma.com

Abbildung 1: Die Multipolresonanzsonde misst im Plasma echtzeitfähig die wichtigsten Plasmaparameter: Elektronendichte, -stoßfrequenz und -temperatur. So sind Überwachungen und Regelungen zur Prozess-optimierung möglich. (© Geoffrey Mellar)

Abbildung 2: Die Sonde kann in einer Positioniermechanik integriert werden, um so ortsaufgelöste Messungen im Vakuum zu ermöglichen. (© Geoffrey Mellar)

Bildergalerie

Quelle: NMWP-Magazin

House of Plasma

House of Plasma – Advanced Plasma SensorsERFAHRUNG – GESCHICHTE DER MRP Die Multipolresonanzsonde wurde an der Ruhr-Universität Bochum entwickelt. Mehr als 10 Dissertationen und über 30 Publikationen belegen die Erfahrungen mit der MRP in Bochum....mehr...