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Metallhalogenid-Perowskite mit einstellbaren optischen Eigenschaften für die Optoelektronik von Morgen

Metall-Halogenid Perowskite faszinieren Forschende weltweit aufgrund ihres Potenzials für die Photonik und Optoelektronik. In Perowskiten lassen sich die optischen Eigenschaften über die Zusammensetzung flexibel einstellen, was verschiedenste Einsatzbereiche ermöglicht.

Metall-Halogenid Perowskite (MHP) haben sich zum Hoffnungsträger für zukünftige photonische und optoelektronische Anwendungen entwickelt. In nur etwa 10 Jahren steigerte sich der Wirkungsgrad der Perwoskit-Solarzellen von etwa 4 % auf über 25 % – ein Sprung, für den Silizium etwa 40 Jahre benötigte [1]. Grundlage dieser Erfolgsgeschichte sind die exzellenten optoelektronischen Eigenschaften von MHPs wie, u.a., eine hohe Toleranz gegenüber Kristalldefekten, außergewöhnlich hohe Ladungsträgerdiffusionslängen und -lebenszeiten sowie effiziente Leuchteigenschaften. Gleichzeitig können die Materialien – im Gegensatz zu den meisten herkömmlichen Halbleiter wie etwa GaAs oder Silizium – kostengünstig bei Temperaturen nahe Raumtemperatur aus der Lösung hergestellt werden und daher auch mit Sprüh- oder Drucktechniken auf unterschiedlichsten Substraten erzeugt werden.

Unter den Begriff MHPs fallen alle Verbindungen mit der Zusammensetzung ABX3, wobei A ein organisches oder anorganisches Kation bezeichnet, B ein Metall-Kation (meist Blei oder Zinn) und X Halogenid-Anionen (Chlor, Brom oder Iod). Die Materialien bilden die in Abb. 1 gezeigte Perowskit-Struktur, in denen die A-Ionen die Leerstellen zwischen sich an den Ecken berührenden BX6 Oktaedern einnehmen. Die optoelektronischen Eigenschaften eines MHPs werden durch die anorganischen BX6 Oktaeder dominiert. Die Änderung der Halogen-Ionen bietet daher eine Möglichkeit, die Bandlücke, d.h., die Farbe an eine spezielle Anwendung anzupassen. Mit zunehmender Elektronegativität verschiebt sich die Bandlücke von Blei-basierten MHPs durch den Austausch von Iod über Brom zu Chlor vom roten bzw. nah-infraroten Spektralbereich über den gelben/grünen Bereich bis ins Blaue, wobei durch Mischung verschiedener Halogene das gesamte sichtbare Spektrum abgedeckt werden kann.

Daneben hat sich zuletzt ein zweiter Hebel etabliert, um die optoelektrischen Eigenschaften in MHPs zu beeinflussen. Über die Variation der Zusammensetzung lässt sich auch die Dimensionalität des Materials einstellen. Werden die A-Kationen ganz oder teilweise durch voluminösere organische Kationen ersetzt, so bilden sich Lagen aus anorganischen APbX3 Einheiten, die durch Lagen aus elektrisch isolierenden, größeren Ionen getrennt sind: Sogenannte 2D Perowskite. Aufgrund der Einschränkung der Ladungsträger in den anorganischen Schichten ändert sich die Farbe der Materialien. Durch Variation des Verhältnisses von kleinen zu großen Kationen lässt sich die Dicke der anorganischen Schicht und damit die Farbe einstellen.

Diese zwei Möglichkeiten die Bandlücke und damit die Farbe der Materialien an spezifische Anwendungen anzupassen, eröffnen eine unglaubliche Vielzahl an Anwendungsmöglichkeiten in der Optoelektronik und Photonik. Insbesondere farbige lichtemittierende Bauteile (LEDs) mit MHPs als aktivem Material werden sehr erfolgreich für den gesamten sichtbaren Spektralbereich eingesetzt. Im Vergleich z.B. zu organischen LEDs zeigen Perowskit-LEDs deutlich sattere Farben (schmalere Emissionsbreiten, siehe Abb. 2), was in zukünftigen Displays eine naturgetreuere Farbwiedergabe ermöglicht. Im grünen Spektralbereich erreichen Perowskit -LEDs mittlerweile Effizienzen von bis zu 28 % [2]. Zur Herstellung von roten bzw. blauen LEDs, die ebenfalls elementar für die Displaytechnik sind, werden traditionell Brom/Iod oder Chlor/Brom Mischkristalle verwendet. Die Halogene in diesen Materialien neigen jedoch im Betrieb dazu sich zu entmischen, was eine Farbänderung mit sich bringt. Hier schaffen 2D Perowskite Abhilfe, welche durch ihren Aufbau die Migration der Ionen erschweren [3].

Für LEDs ist allein die Emissionsfarbe von Bedeutung, wohingegen das Empfindlichkeitsspektrum eines Photodetektors durch die farbabhängige Absorption des Materials bestimmt wird. Während sich durch die Mischung verschiedener Halogene lediglich die Emissionsfarbe verschiebt, beeinflusst die Dimension in 2D Perowskiten die optoelektronischen Eigenschaften grundlegender: Die spektrale Form der Absorption und sogar die Wahrscheinlichkeit von Absorptionsprozessen ändert sich, was neue Möglichkeiten eröffnet. So konnten wir erst kürzlich zeigen, dass 2D Perowskite die Realisierung von filterfreien, farbselektiven Photodetektoren erlauben (siehe Abb 2). Darauf aufbauend könnten in Perowskit basierten optoelektronischen Systemen die Emission einer LED und die Empfindlichkeit eines Detektors aufeinander abgestimmt werden, um so eine möglich störungsfreie Informationsübertragung etwa in Sensoren zu ermöglichen. Blickt man in die Zukunft, so bieten 2D Perovskite fast grenzenlose Möglichkeiten: Die Kombination von exzellenten Emissionseigenschaften und hohen Absorptionswahrscheinlichkeiten bei der gleichen Farbe erlaubt die Bildung von Quasiteilchen, die halb Materie und halb Licht sind [4], und z.B. bei der Realisierung von hocheffizienten Lasern oder aber bei der Entwicklung neuer Quantentechnologien von Bedeutung sein können.

Egal ob über die stöchiometrische Zusammensetzung oder in 2D Perowskiten über die Dimension, MHPs bieten eine Vielzahl an Möglichkeiten, um deren optischen Eigenschaften an die Anforderungen einer spezifischen Anwendung anzupassen. Diese außergewöhnliche Zahl an Freiheitsgraden eröffnet in Kombination mit der kostengünstigen Herstellung und mechanischen Flexibilität eine Vielzahl an potenziellen Anwendungsbereichen, sei es in der flexiblen Elektronik, in der Medizintechnik oder in den Quantentechnologien. Man darf gespannt sein, was die Zukunft für dieses Material bereithält.

Referenzen
[1] NREL Best Research-Cell Efficiency Chart
[2] Z. Liu, W. Qiu, X. Peng, G. Sun, X. Liu, D. Liu, Z. Li, F. He, C. Shen, Q. Gu, F. Ma, H.-L. Yip, L. Hou, Z. Qi, S.-J. Su “Perovskite Light-Emitting Diodes with EQE Exceeding 28% through a Synergetic Dual-Additive Strategy for Defect Passivation and Nanostructure Regulation”, Adv. Mater. 2021, 2103268
[3] F. Jiang, J. Pothoof, F. Muckel, R. Giridharagopal, J. Wang, and D. S. Ginger, “Scanning Kelvin Probe Microscopy Reveals That Ion Motion Varies with Dimensionality in 2D Halide Perovskites”, ACS Energy Lett. 2021, 6, 1, 100
[4] F. Muckel, K. N. Guye, S. M. Gallagher, Y. Liu, and D. S. Ginger, “Tuning Hybrid exciton–Photon Fano Resonances in Two-Dimensional Organic–Inorganic Perovskite Thin Films”, Nano Lett. 2021, 21, 14, 6124
[5] L. N. Quan, F. P. García de Arquer, R. P. Sabatini, and E. H. Sargent “Perovskites for Light Emission” Adv. Mater. 2018, 1801996

Elektroenergetische Funktionsmaterialien – Werkstoffe der Elektrotechnik, Universität Duisburg-Essen

Photonische Basistechnologie

  • Material für Laser und LEDs
  • Optische Sensorik
  • Starke Licht-Materie-Wechselwirkungen

Anwendungsfelder / Märkte

  • Mobility & Energy
  • Photovoltaik
  • Imaging
  • Sensing
  • LEDs & Displays
  • Optoelektronik für HealthCare, Industry 4.0 and IoT

Impact

  • Realisierung von flexiblen Bauteilen
  • Herstellung aus der Flüssigphase / in Niedertemperatur-Prozessen
  • Erschließung neuer Anwendungsfelder

https://www.uni-due.de/cenide/netz

Bildergalerie

Quelle: NMWP-Magazin

Universität Duisburg-Essen

Mitten in der Metropolregion Ruhrgebiet liegt die Universität Duisburg-Essen (UDE) – eine der jüngsten und größten Universitäten Deutschlands. Ihr breites Fächerspektrum reicht von den Geistes-, Gesellschafts- und Bildungswissenschaften über die...mehr...