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Durchgängige Datenketten für mehr Resilienz im Automobilsektor

© Catena-X (2023)

Die regulatorischen Anforderungen des Lieferkettensorgfaltsgesetzes oder das Monitoring des CO2-Fußabdrucks eines Produktes sind nur zwei aktuelle Herausforderungen der Automobilindustrie, die kein Akteur – und sei er noch so groß – allein bewältigen kann. Das Catena-X Automotive Network geht diese Herausforderungen daher kollaborativ an.

In sich über Jahrzehnte hinweg ausdifferenzierenden Wertketten findet ein Großteil der automobilen Wertschöpfung nicht mehr beim eigentlichen Fahrzeughersteller, sondern im Zuliefernetzwerk statt. Dies hat zur Folge, dass die Bedeutung von funktionierenden Material-, Wert- und Informationsflüssen sukzessiv ansteigt, damit die Herstellung eines Automobils effizient abläuft. Während der pandemischen Lage der vergangenen Jahre und den dadurch hervorgerufenen Verwerfungen globaler Lieferketten wurde einer gesamten Branche nachdrücklich bewusst wie fragil das gesamte Netzwerk noch immer ist. Der zu konstatierende Engpass bei der Zulieferung von Halbleitern für die Chip-Herstellung sorgte über Monate hinweg für gedrosselte Fertigungslinien.

Im vom Bundeministerium für Wirtschaft und Klimaschutz geförderten Projekt Catena-X wird ein Ökosystem für den gesamten Automobilsektor aufgebaut, das den geschilderten Herausforderungen begegnet und von Beginn an hochskalierend aufgesetzt ist. Das Kernelement des Netzwerks ist ein gemeinsames Angebot föderierter Daten und Dienste, das Unternehmen befähigt, die „Time-to-Market“ innovativer Lösungen zu verkürzen, Ressourcen effizienter zu nutzen sowie die Transparenz und Resilienz von Wertschöpfungsprozessen zu steigern.

Die am Projekt beteiligten Organisationen eint dabei der Fokus auf die großen Business-Herausforderungen unserer Zeit (insbes. Nachhaltigkeit, Resiliente Lieferketten, Qualität, Compliant Lifeclye Management). Zu deren Bewältigung haben sich wesentliche Akteure des Ökosystems zu einer in der Form nie da gewesenen Zusammenarbeit entschlossen, um das Netzwerk auf-

zunehmen. Es umfasst neben den großen deutschen Automobilherstellern auch zahlreiche bedeutende Zulieferbetriebe. Auch kleinere und mittlere Unternehmen, etwa aus dem Bereich des Recyclings sind integraler Bestandteil. Sie werden ergänzt um Techologie- und Service-Provider, Forschungseinrichtungen und bestehende Netzwerke. Sie alle arbeiten daran, durchgängige Datenketten vom Rohstofflieferanten, über die n-Tier-Stufen und dem OEM bis hin zu Recycling-Unternehmen abzubilden; verbunden mit dem Ziel Wertschöpfungsprozesse weiter zu verbessern.

Klar ist allen beteiligten Akteuren, dass ein Netzwerk nur dann seine Schlagkraft entfaltet, wenn möglichst viele Akteure sich ihm anschließen. Dementsprechend wird die erforderliche Skalierung in Richtung Asien und Amerika von vornherein über entsprechende Formate angegangen. Das sich aufspannende Datenökosystem vereint

  1. einen wirtschaftlichen Bedarf,
  2. Technologie-Bausteine, z. B. zur Herstellung von Konnektivität und
  3. einen rechtssicheren Rahmen zur unternehmensübergreifenden Datennutzung.

Der Catena-X Ansatz sieht dazu die Verwendung von Open Source Komponenten für die das Netzwerk befähigenden Dienste vor, die zu sogenannten KITs zusammengefasst werden. Dieser Ansatz senkt einerseits Einstiegshürden für interessierte Unternehmen ab, schafft andererseits aber auch Vertrauen in die Software-Artefakte, da der Source-Code einsehbar gestaltet ist. Dabei setzt das Netzwerk auf etablierte und vertrauenswürdige offene Standards: Beim dezentralen Aufbau des Netzwerks auf de facto Standards der International Data Spaces Association, bei der zu gewährleistenden Vertrauenswürdigkeit jedes einzelnen Akteurs auf das Trust Framework der Gaia-X AISBL und bei der Open Source Software Entwicklung auf den etablierten Governance-Strukturen der Eclipse Foundation. Die Automobilindustrie spezifisch betreffende Aspekte, etwa zum Datenmodell, werden über den dazu gegründeten Catena-X e.V. abgegolten. Individuell können von Akteuren durch das auf dieser Basis gemeinsam getragene Industry Core Engine im operativen Betrieb Netzwerk-Effekte gehoben werden. Dies wird möglich, weil die Kommunikation durch identische Standards erleichtert und somit auch der Zugang zu sowie die Bereitstellung von Daten erleichtert wird. Zudem erlaubt es unterschiedlichen Software-Applikationen untereinander interoperabel zu sein. Das Kernversprechen des Netzwerks ist dabei, die Souveränität jedes einzelnen Anwenders zu respektieren. Daher kommt das Netzwerk auch im Gegensatz zu gängigen Geschäftsmodellen der Plattformökonomie weitgehend ohne zentrale Instanzen aus. Operative Daten verbleiben so lange beim Nutzer, bis sie explizit in einer Peer-to-Peer-Verbindung mit einem Netzwerkpartner eine Übereinkunft zur Datennutzung kommt (vgl. Abbildung 1). 

Gleichwohl beinhaltet Catena-X Möglichkeiten durch angebotene Business-Applikationen Geld zu verdienen. Dies kann z. B. die Bereitstellung eines Algorithmus zur verbesserten Auslastung der eigenen Fertigungslinie sein, der Daten aus dem Netzwerk nutzt und dessen Mehrwertdienst monetär bepreist sein kann. 

Das gesamte Ökosystem ist hinsichtlich seiner Machtarithmetik so austariert, dass kein Akteur das gesamte Netzwerk beherrschen kann. Nur so kann Augenhöhe im Netzwerk gewährleistet werden. Die Konstitution des Catena-X Automotive Network umfasst mit dem öffentlich geförderten Projekt zum Aufbau des Netzwerks (nach Ablauf des Projekts überführt in eine Open Source Community), dem eingetragenen Verein als Standards verabschiedende sowie Unternehmen und Applikationen zertifizierende Instanz sowie den Betreibergesellschaften, die Basisdienste rund um die Uhr lauffähig halten. Auch beim Betrieb soll es im Sinne der Gewaltenteilung einen Wettbewerb geben, weswegen hier mehrere Akteure als Betreiber fungieren sollen.

Schlussendlich ergibt sich durch den geschilderten Aufbau ein Datenökosystem, innerhalb dessen praktizierte Geschäftsvorfälle durch die Wiederverwendung identischer Datenmodelle und/oder Daten synergetisch zueinander sind und somit für jede Organisation Einsparungen ermöglicht. Darüber hinaus ermöglicht es Unternehmen individuell bei der Digitalisierung von Prozessen einen Evolutionssprung zu vollziehen. Das Catena-X Automotive Network hat somit das Potenzial einen gesamten industriellen Sektor digital zu ertüchtigen und zu dessen nachhaltiger Wettbewerbsfähigkeit beizutragen.

Catena-X Automotive Network

Technologische Basis

  • Dataspaces Protocol der International Data Spaces Association (IDSA)
  • Trust Framework der Gaia-X AISBL
  • Open Source Entwicklung unter dem Dach der Eclipse Foundation

Innovation

  • Transparenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette
  • Dezentrales Netzwerk
  • Datensouveränität

Anwendungsfeld im Automobil

  • CO2-Fußabdruck
  • Effizienz in automobilen Wertschöpfungsketten
  • Zielgerichtetere Rückrufe durch verbesserte Rückverfolgbarkeit von Bauteilen 

Impact

  • Effizienzsteigerung
  • Qualitätsverbesserung

Abbildung 1: Technische Basis des dezentralen Catena-X Netzwerks © Catena-X (2023)

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