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Laufende stehende Welle erzeugt

Ausschnitt aus einem Video, das die stehende Welle mit laufenden Eigenschaften zeigt. Weiß: Knoten und Bäuche der stehenden Welle, die immer wieder durchlaufen werden. Grün: Momentaufnahme der Welle. © UDE

Und sie bewegen sich doch: Ein internationales Wissenschaftlerteam rund um Physiker des Center for Nanointegration (CENIDE) der Universität Duisburg-Essen (UDE) hat ein neuartiges Phänomen beobachtet: Sie haben stehende Wellen erzeugt – die doch laufen. Ihre Entdeckung haben die Forscher im Fachmagazin Physical Review B auch als Video veröffentlicht.

Eine Welle besteht aus Bäuchen und Knoten. Stellt man sich das an einem Seil vor, sind die Bäuche die Wölbungen nach unten oder oben (Berge und Täler). Knoten nennt man die Punkte des Seils, die genau zwischen Berg und Tal liegen. Bei einer stehenden Welle bleiben Knoten immer an derselben Stelle, ein Bauch schwingt lediglich von unten nach oben. Eine Bewegung nach links oder rechts gibt es nicht. Im Gegensatz dazu gibt es laufende Wellen: Versetzt man ein Seil kräftig an einem Ende in Schwingung, erzeugt man eine Welle, die es bis zum Ende durchläuft.

Benjamin Zingsem aus der Arbeitsgruppe von UDE-Professor Michael Farle hat nun erstmals das scheinbare Paradoxon beobachtet: Dazu hat er mit einem magnetischen Material gearbeitet, in dem Dzyaloshinskii-Moriya-Wechselwirkung auftritt: Alle Dipole – die winzigen Magnete, aus denen das Material besteht – sind wie Schraubenwindungen in einer bestimmten Richtung leicht zueinander verdreht. Die Physik nennt so etwas einen chiralen Magneten.

Wird das System nun resonant zum Schwingen angeregt, bildet sich eine stehende Welle mit laufenden Eigenschaften aus. Diese besitzt ebenfalls stationäre Knoten und Bäuche, aber gleichzeitig erzeugt eine kontinuierliche Phasenverschiebung den Eindruck einer laufenden Welle. „Ich musste es mir lange ansehen, bis ich in Worte fassen konnte, was das ist. Wirklich begriffen habe ich es erst, nachdem ich ein Video davon gesehen hatte“, so Zingsem. Denn stehende Wellen sind ein grundlegendes Phänomen der Physik, das man bisher verstanden glaubte.

Der Effekt offenbart in solchen Systemen bisher unbekannte Transporteigenschaften. So können über ihre magnetischen Schwingungen zum Beispiel Informationen gespeichert, übertragen und verarbeitet werden, ohne dass dabei – wie in herkömmlichen Systemen – Wärme anfällt.

Für das Projekt hat Zingsem unter anderem mit Kollegen der University of Colorado (USA) und der University of Glasgow (UK) zusammengearbeitet.