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acatech POSITION: Werkstoffe sind systemrelevant und brauchen faire Wettbewerbsbedingungen

Leistungsfähige Werkstoffe machen den Unterschied: Das gilt für praktisch jedes neue Produkt. Daher ist die hiesige Werkstoffentwicklung systemrelevant für den Innovationsstandort Deutschland. Werkstoffe aus heimischer Entwicklung und Produktion brauchen faire Wettbewerbschancen, eine Regulierung mit weniger Zielkonflikten und Unternehmen, die neue Werkstoffe mutig einsetzen. Dafür setzt sich acatech – Deutsche Akademie der Technikwissenschaften in ihrer Position „Rahmenbedingungen für die Zukunft der Werkstoffe“ ein.

Ob sparsamere Fahrzeuge, neue medizinische Geräte und Implantate, leistungsfähigere Energiespeicher: Werkstoffe sind aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Moderne Produkte hängen von maßgeschneiderten innovativen und klassischen Materialien wie Metallen, Glas und Zement ab. acatech Expertinnen und Experten analysieren in einem heute erschienenen Papier die „Rahmenbedingungen für die Zukunft der Werkstoffe“. Dabei beleuchten sie, wie sich Energiepreis oder Emissionshandel, die Verfügbarkeit von Rohstoffen sowie Materialeffizienz und Kreislauffähigkeit auf die Entwicklung, Produktion und Anwendung von Werkstoffen in Deutschland auswirken.

Generell warnt die Akademie, dass die hiesige Werkstoffindustrie auf faire Wettbewerbsbedingungen angewiesen ist, damit sie nicht ins Ausland abwandert. Gleichzeitig zielen die Empfehlungen auf einen effizienteren Einsatz von Rohstoffen, auf eine stärkere Wiederverwertung und auf das Vermeiden von Zielkonflikten in der Regulierung ab.

Recyclingforschung und Ökodesign vorantreiben
acatech fordert einen nachhaltigeren Umgang mit Altprodukten. Deutschland exportiert Schrott in andere Teile der Welt, wo die wertvollen Bestandteile recycelt werden. Die Folgen für Umwelt und Gesundheit der dort lebenden Bevölkerung sind oft gravierend. Stattdessen muss der acatech POSITION zufolge die hiesige Wiederverwertung in den Ressourcenkreislauf im Sinne einer Circular Economy forciert und schon im Design von Produkten und in den eingesetzten Werkstoffen angelegt werden.

Die Politik könnte eine solche Entwicklung unterstützen, indem sie die europäische Ökodesign-Richtlinie auf den gesamten Lebenszyklus anwendet. Bislang steht ein möglichst sparsamer Einsatz von Werkstoffen im Vordergrund – der aber häufig zu Lasten der Wiederverwendbarkeit geht. Dies ist nur ein Beispiel für Zielkonflikte in den Regulierungen von Werkstoffen, die in Richtlinien und Regularien ausgeräumt werden sollten. Zudem müsse die Ökodesign-Richtlinie auf alle Branchen ausgeweitet werden – bislang ist beispielsweise die Automobilindustrie ausgenommen.

Faire Wettbewerbschancen auf dem Weltmarkt
Nationale und europäische Regelungen – darunter der europäische Emissionshandel, umweltbezogene Grenzwerte oder Strompreise – dürfen die deutsche Werkstoffbranche in ihrer ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit nicht gefährden. Deutschland als vergleichsweise rohstoffarmes Land ist auf einen fairen und offenen Wettbewerb angewiesen. Die energieintensive Werkstoffbranche wird weiterhin Ausnahmeregelungen bei den Energiekosten benötigen. Andernfalls könnte sie in Länder abwandern, die günstiger produzieren – aber zu schlechteren Bedingungen für Klima, Umwelt und Gesundheit.

Neue Werkstoffe einsetzen
Neue Werkstoffe sind ein wesentlicher Treiber für Innovationen in allen Sektoren der Wirtschaft. Da moderne Werkstoffe in einem hohen Maß auf Forschung beruhen, wird eine enge Kopplung der Forschungslabors mit der Wirtschaft künftig mehr und mehr zu einem Wettbewerbsvorteil.

Neue, innovative Werkstoffe werden von Unternehmen mitunter zögerlich eingesetzt, weil damit häufig ein ökonomisches Risiko einhergeht. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter müssen im Umgang mit neuen Materialen geschult, neue Arbeitsabläufe etabliert und neue Maschinen angeschafft werden. Ein Beispiel: Auf kurze Sicht war es günstiger, klassische Kupferleitungen statt Glasfaser für das Internet zu verlegen. Heute liegt darin eine Ursache des schleppenden Netzausbaus. Der Einsatz modernster Materialien zahlt sich aus. Insgesamt fordert acatech deshalb mehr Mut zum Einsatz innovativer Werkstoffe.

Über die acatech POSITION
Die Position „Rahmenbedingungen für die Zukunft der Werkstoffe“ beruht auf Interviews mit Expertinnen und Experten der verschiedenen Werkstoffbranchen. Darüber hinaus werteten die Autorinnen und Autoren Positionspapiere, Studien und Berichte von Unternehmen, Verbänden und aus der Forschung aus. Auf dieser Grundlage beschreiben sie spezifische Herausforderungen für sieben Werkstoffgruppen: die klassischen Werkstoffbranchen Stahl, Glas, Aluminium und Kupfer und Beton, Zement und Steine sowie die neuen Werkstoffklassen der Verbundwerkstoffe, Funktionswerkstoffe und Kunststoffe.