Optische Untersuchung von Flugzeugoberflächen nach einem Blitzschlagereignis
Validierung der Multikopter-basierten Oberflächeninspektion am realen Flugzeug © RWTH Aachen
Ein Verkehrsflugzeug wird durchschnittlich einmal im Jahr vom Blitz getroffen. Um mögliche Schäden am Flugzeug auszuschließen, muss eine zeitaufwändige Sichtprüfung der Außenhaut durch das Wartungspersonal durchgeführt werden. Damit dieser Prüfprozess einfacher zu handhaben ist, entwickelten das Institut für Regelungstechnik (IRT) und der Lehrstuhl für Fertigungsmesstechnik und Qualitätsmanagement des WZL im Rahmen des Forschungsprojekts „Automatische, Multikopter-basierte Indoor-Inspektion von großen Oberflächen“ – kurz AMIIGO – ein Multikopter-basiertes System zur effizienteren und schnelleren Defektidentifikation und -lokalisierung am Flugzeug. Diese mobile Einheit ermöglicht eine einfache, zerstörungsfreie Inspektion, indem sie mit industrieller Kameratechnik die gesamte Oberfläche des Flugzeugs digitalisiert. Bestandteile des Gesamtsystems sind, neben einer robusten Flugregelung, eine hochgenaue Lokalisierung und eine vollautomatische Bildauswertung.
Navigations- und Regelungsalgorithmen ermöglichen Echtzeit-Automatisierung der Fluginspektion
Die Automatisierung des Flugverhaltens des
Multikopters wird sukzessive durch eine Pfadplanung, eine darauf
aufbauende Trajektorienoptimierung, eine Flugregelung sowie mittels
einer Kollisionsvermeidung in Echtzeit realisiert. Die vom IRT
umgesetzten Navigations- und Regelungsalgorithmen werden dabei gänzlich
autark auf der Drohne selbst ausgeführt. Eine Sensorfusion berechnet
dafür zunächst alle 10 Millisekunden eine auf wenige Millimeter genaue
Position der Drohne Indoor im Wartungshangar. Auf Basis der aktuellen
Position sowie eines im Voraus optimierten Pfades über die Oberflächen
können alle für den Flug notwendigen Steuerbefehle ermittelt werden.
Mögliche Hindernisse werden parallel dazu mit einem Laserscanner
dynamisch erkannt, um Kollisionen während des Fluges zu vermeiden.
Automatisierte Defekterkennung durch Machine Vision und Machine Learning
Die automatisierte Defekterkennung in aufgenommenen
Bildern sowie die Visualisierung der berechneten Positionen der
stecknadelkopfgroßen Defekte realisiert das WZL. Einsatz finden
klassische Algorithmen der Machine Vision sowie moderne Verfahren des
Machine Learning. Konkret erfolgt die Identifikation von
wartungsrelevanten Oberflächendefekten in den ortsindexierten Bilddaten
durch einen Hybrid aus einem klassischen Eck-Erkennungsalgorithmus und
einem Convolutional Neural Network. Somit identifizierte Defekte werden
dem Wartungspersonal in Form einer interaktiven „Defect-Map“ zur
Verfügung gestellt. Dadurch wird es den Wartungsverantwortlichen
ermöglicht, die Notwendigkeit und den Umfang einer Wartung abzuschätzen
sowie ebendiese Wartung in Abhängigkeit von der Position und Art der
Defekte zu planen.
Für die Lokalisation der identifizierten Defekte auf der Flugzeugoberfläche werden die Bilddaten synchron zum Zeitpunkt der Aufnahme mit Positionsdaten aus der Sensorfusion referenziert. Basierend auf dem Positionsdatum der Bildaufnahme und der messtechnisch ermittelten Position des realen Flugzeugs im aufgespannten Koordinatensystem erfolgt die virtuelle Projektion der Defektposition auf die Flugzeugmodelloberfläche.
Das innerhalb von zwei Jahren entwickelte System konnte im Rahmen des Projektabschlusses dank der Unterstützung durch die Lufthansa Technik AG in Hamburg an einer Boeing 737-500 erfolgreich demonstriert werden. Gefördert wurde das Projekt durch die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e. V. (AiF) mit Unterstützung der deutschen Forschungsvereinigung für Meß-, Regelungs- und Systemtechnik e.V. (DFMRS) aus Bremen. Im projektbegleitenden Ausschuss waren neben der DFMRS, dem WZL und dem IRT der RWTH Aachen University auch die APODIUS GmbH, die Automated Precision Europe GmbH, das Faserinstitut Bremen e.V., die Five Robots GmbH, das Interdisciplinary Imaging & Vision Institute Aachen e.V., die Lufthansa Technik AG, die Nikon Metrology GmbH, die SCISYS Deutschland GmbH und die SPECTAIR Group GmbH vertreten.