Gießerei-Institut der RWTH Aachen entwickelt mit LUNOVU-LMD neuartige Werkstoffsysteme
Auf den ersten Blick könnte es kaum gegensätzlicher sein –
ein Jahrtausende altes Verfahren trifft auf eine neue Technologie, die gerade
die industrielle Fertigung zu revolutionieren verspricht. Doch das
Gießerei-Institut in Aachen wählt genau diesen Weg, um völlig neue
Werkstoffsysteme zu erforschen. Der Herzogenrather Laser-Maschinenbauer LUNOVU
liefert dafür ein neuartiges Laser Metal Deposition – Maschinensystem, das
einzigartige Ansätze in der Werkstoffforschung ermöglicht.
LMD (Laser Metal Deposition, oftmals auch als DED – Direct Energy Deposition bezeichnet) ist eine Technologie der generativen Fertigung (Additive Manufacturing). Dabei wird ein Metallpulver mit einem Trägergas transportiert und mittels einer speziellen Düse auf einer Werkstückoberfläche fokussiert. Ein energiereicher Laserstrahl schmilzt dort das Metallpulver auf, so dass ein Schmelzbad entsteht, das rasch wieder erstarrt. Wird das Schmelzbad nun über eine Werkstückoberfläche bewegt, so können Bahn für Bahn und Lage für Lage dreidimensionale Metallstrukturen aufgebaut werden.
Das Verfahren ist durchaus etabliert und wird bereits vielfach industriell angewandt. So zum Beispiel, um Verschleißschutzschichten herzustellen oder zur Reparatur unterschiedlichster hochwertiger Bauteile – bis hin zu Turbinenschaufeln aus Flugzeug-Triebwerken. Dabei werden einige herausragende Eigenschaften des LMD-Verfahrens ausgenutzt. Der Prozess ist extrem gut steuerbar und flexibel; der Wärmeeintrag ist gering, und es können nahezu beliebige dreidimensionale Strukturen bearbeitet werden. Das Gießerei-Institut der RWTH Aachen geht allerdings noch einen entscheidenden Schritt weiter.
Das renommierte Institut hat am neuen Standort im Research Center for Digital Photonic Production (RCDPP) ein maßgeschneidertes LUNOVU-LMD-System in Betrieb genommen. Das System ist speziell für die Anforderungen des Gießerei-Instituts ausgelegt und weist eine hermetisch geschlossene Inertgaskammer (Glovebox) für eine kontaminationsfreie Prozessführung auf. In dieser Kammer befindet sich der eigentliche Bearbeitungskopf, der mit einem Dreiachs-System in allen Raumrichtungen verfahren werden kann. Die Glovebox wird permanent mit Argon durchspült, das durch eine Filtrationseinheit von Restsauerstoff befreit wird. Um Materialproben oder auch größere Bauteile in den Bearbeitungsraum hinein oder wieder heraus zu bringen, sind Vakuumschleusen daran angebracht. Auf diese Weise können Materialproben in schneller Folge hergestellt werden, ohne dass sie mit Luftsauerstoff in Kontakt kommen.
Aber damit nicht genug der technologischen Highlights. Die neue LMD-Anlage kann neben dem pulverbasierenden Prozess auch einen drahtbasierenden Prozess durchführen. Dabei wird ein Metalldraht durch eine Fördereinrichtung kontinuierlich in den Laserfokus auf der Bauteiloberfläche geschoben, so dass auch auf diese Weise metallische Strukturen aufgebaut werden können. So ist ein direkter Vergleich der beiden Technologien möglich.
„Der Vorteil des LMD – Verfahrens ist, dass nahezu beliebige Metalle, Legierungen und Mischungen hergestellt werden können, indem unterschiedliche pulverförmige Ausgangsstoffe verwendet werden. Zugleich liegt das erzeugte Material in hervorragender Qualität vor, da es sich um einen echten schmelzmetallurgischen Prozess handelt“, erklärt Dr.-Ing. Iris Raffeis, Leiterin der Forschungsgruppe „Additive Fertigung“. „Für uns ist besonders relevant, dass über die Depositionsparameter Werkstoffeigenschaften gezielt beeinflusst werden können.“
Das Gießerei-Institut der RWTH Aachen hat mit dem neuen Forschungsgebiet der Additiven Fertigung seine traditionelle Urform-Kompetenz zielstrebig erweitert und forscht in diesem Bereich schwerpunktmäßig an der Kopplung komplexer Bauteilstrukturen mit optimierten Werkstoffsystemen und Gefüge-Mikrostrukturen. Konsequenterweise starten die Forschungsaktivitäten im Gießerei-Institut mit der Metallpulver-Herstellung in einer gerade installierten, eigenen Verdüsungsanlage. Die so erzeugten Pulver können dann unmittelbar im LUNOVU-LMD-System verarbeitet werden.
„Diese Vorgehensweise eröffnet uns völlig neue Perspektiven in der Entwicklung und Optimierung von Werkstoffsystemen in der Additiven Fertigung. Zugleich verwenden wir mit dem LMD-Prozess eine produktionskompatible Technologie, die schon vielfach in der Industrie eingesetzt wird“, führt Dr. Raffeis weiter aus.
LUNOVU ist im Umfeld des Fraunhofer Instituts für Lasertechnik in Aachen im Jahre 2013 entstanden und entwickelt und baut seitdem Laser-Maschinensysteme. Der Schwerpunkt liegt auf Laser Metal Deposition (LMD)-Maschinensystemen für industrielle Anwendungen und die Forschung und Entwicklung. Das Produktportfolio umfasst CNC-Maschinen und roboterbasierende Systeme. Ein besonderer Schwerpunkt liegt dabei auf der Maschinenintelligenz in Verbindung mit Sensorik, die es ermöglicht, nahezu ohne Programmieraufwand komplexe Freiform-Geometrien zu bearbeiten.
Gießerei-Institut, RWTH Aachen University
Tätigkeitsschwerpunkte
- Bauteiloptimierung und Werkstoffentwicklung für den Leichtbau durch
- Legierungsentwicklung für verschiedene Additive Fertigungsverfahren
- Entwicklung von innovativen und hybriden Bauteile, z.B. Kombination von Guss- und AM-Verfahren
- Metallpulverherstellung
- Erstarrungs- und Gefügesimulation
- Dienstleitungen im Bereich der Analytik und Korrosion
Branchen- und Technologiefelder
- Automobil- und Luftfahrtindustrie
- Energie- und Medizintechnik
- Analysenmethoden zur Werkstoff- und Bauteilcharakterisierung
Wichtigste Regionen für die eigene Wertschöpfung (Entwicklung/Produktion/Märkte)
- Deutschland
- Benelux
Abbildung 1: Das neue LMD-System am Gießerei-Institut der RWTH Aachen (Foto: www.das-design-plus.de)
Abbildung 2: Herstellung einer Materialprobe mittels LMD (Foto: LUNOVU)