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Die Kreislaufwirtschaft in der Elektromobilität

Eine Talk-Runde mit Prof. Bernd Friedrich (IME und Circular Economy Center Aachen, RWTH Aachen University), Dr. Ansgar Fendel (REMONDIS Assets & Services GmbH & Co. KG), Dr. Adalbert Lossin (Aurubis), Dr. Andreas Lützerath (TRIMET Aluminium SE) und Dr. Reiner Sojka (Accurec Recycling GmbH) zu Wertstroffkreisläufen in der e-Mobilität und deren wirtschaftliches Potential in Europa.

Prof. Friedrich Kreislaufwirtschaft – auch im Kontext der Elektromobilität ist – sehr aktuell und in aller Munde. Insbesondere bei den Käufern. Bei der Überlegung, sich vielleicht ein Elektroauto zuzulegen, um an der ein oder anderen Stelle vielleicht doch zögern. Zögern, nicht nur wegen der Lade-Infrastruktur, die vielleicht noch nicht existiert oder auch wegen der hohen Kosten von Elektromobilität. Sie zögern auch, weil sie sich fragen: Was passiert eigentlich mit meinem Auto, wenn ich es irgendwann mal nicht mehr benutzen möchte und es recycelt werden muss, da es eben keiner zweiten Verwendung zugeführt werden kann? Deswegen sprechen wir heute über das Thema „Circular E-Cars“. Wir werden heute mehr die Technik des Recyclings adressieren, weniger die Frage nach „Second Use“ oder „Repair“ oder „Refurbishment“. Unsere Diskussion setzt da an, wo wirklich das Ende des Produkt-Lebensweges gekommen ist. Ich freue mich daher ganz besonders, dass wir vier hochrangige Vertreter aus der Nordrhein-Westfälischen Industrielandschaft gewinnen konnten, die heute hier dabei sind.

Zu Gast haben wir Dr. Fendel, Geschäftsführer der Remondis GmbH – für die ganzen Fragen der Logistik, der Rücknahmesysteme und dergleichen. Dr. Lützerath, technischer Vorstand der Trimet in Essen haben wir gewinnen können für den ganzen Bereich Aluminium – was kommt da eigentlich auf die Aluminiumindustrie zu? Wird sich da etwas verändern? Muss man sich vorbereiten? Leider haben wir bei diesem Gespräch die Stahlindustrie nicht dabei, die sich momentan natürlich genauso vorbereitet. Weiterhin haben wir zu Gast Dr. Sojka von der Accurec Recycling GmbH aus Krefeld. Wie der Name schon sagt, geht es um Akkumulatoren-Recycling beim größten deutschen Recycler für Lithum-Ionen-Batterien, insbesondere auch Elektrofahrzeug-Batterien natürlich. Dr. Lossin von der arubis AG mit Sitz in Lünen, ganz im Osten von Nordrhein-Westfalen, vertritt Europas größten Kupfer-Recycler. Hier werden die gesamten Elektro- und Elektronikkomponenten, also der ganze Elektroschrott, recycelt. Und – logisch – wenn wir über Elektroautos reden, ist klar, dass wir aus diesem Materialstrom deutlich mehr bekommen als aus einem normalen Verbrenner. Also vielen Dank Ihnen, oder Euch, teilweise kennen wir uns aus langjähriger Zusammenarbeit. Zu meiner Person, ich bin Professor Bernd Friedrich, ich leite das IME an der RWTH Aachen und bin Gründer und Sprecher des Aachener „Center für Circular Economy“. Dieses Center ist neu, da wir uns vorgenommen haben, hier in Aachen dieses Thema ganz nach oben auf die Agenda der RWTH Aachen zu schieben. Hierzu binden wir alle Dimensionen ein, auch die Frage der „Social Acceptance“, die ich ja gerade schon mal angesprochen habe.

Fangen wir an – das Leben eines Elektrofahrzeugs hat sein Ende gefunden und wir gehen davon aus, dass man das zu einem Automobilzentrum gibt und sich für ein neues Auto interessiert. Aber nun steht das alte Fahrzeug da, und auf einmal kommen eben die Fragen der Logistik auf. Hier würde ich gerne Herrn Dr. Fendel den Ball zuwerfen. Im Vergleich zu dem aktuellen Stand – womit muss man aus logistischer Sicht rechnen? Sicherheitsfragen? Mengenfragen? Wenn die E-mobility wirklich so durchschlägt, wie sie im Moment in Norwegen ja schon durchgeschlagen ist – 90 % der Neuzulassungen in Norwegen sind Elektrofahrzeuge. Wenn sowas bei uns passiert, würde das wahrscheinlich größere Veränderungen mit sich bringen.

Dr. Ansgar Fendel Ja, Herr Friedrich, in der Tat, das wird es. Nicht ganz vergessen sollte man aber auch die Über-gangszeit. Wir werden erst mal eine Durchmischungs- bzw. Übergangsphase haben. Darüber hinaus macht sich die Fragestellung der Logistik nicht schlicht und ergreifend an der Batterie fest. Ich will jetzt mal die Analogie zum Verbrenner nehmen: der Verbrenner, wenn er bei uns auf die Plätze kommt, sollte er keinen Sprit mehr enthalten, sonst ist er explosiv. Das Elektrofahrzeug, welches dem Recycling zugeführt wird, sollte dann auch von der Batterie befreit sein. Dadurch haben wir zwei Komponenten. Die Batterie selbst ist ein hochinteressantes Objekt für Recycling, dafür gibt es ein Sicherheitsbehältersystem. Das ist unser Retron-System, welches wir eingeführt haben, um solche Systeme sicher zu transportieren. Das Fahrzeug selbst wird entsprechend aufgearbeitet mit konventionellen Systemen transportiert, wie wir sie heute bereits im Einsatz haben. Allerdings werden wir – und das ist das Besondere – auch einen Paradigmenwechsel auf unseren Schrottplätzen erleben. Die werden andere Technologien und andere Demontagevorrichtungen haben müssen, weil das Elektrofahrzeug sich anders darstellt als der Verbrenner.

Prof. Bernd Friedrich Jetzt haben Sie vor allem die Batterie angesprochen und auch das Thema Sicherheit. Es gibt immer wieder Bilder von Zwischenfällen auf der Straße, wo etwas passiert, was man nicht so gerne hätte – nämlich, dass so eine Batterie in einen unkontrollierten Zustand geht. Über welche Strecken ist es überhaupt vertretbar, Batterien – von denen man ja nicht genau weiß, ob die möglicherweise in einem sogenannten „Thermal Runaway“ reinlaufen – in Europa transportieren? Man könnte auch die Frage anders formulieren: Besteht ein Risiko für Deutschland oder Europa, dass diese Batterien Europa verlassen können, oder ist das eine Sicherheitsfrage, die uns – Gott sei Dank, kann man sagen – die Batterie nahe bei uns hält?

Dr. Ansgar Fendel Letzteres, ja. Das Thema ist von der Transportseite zumindest von unserer Seite im Unternehmen gelöst. Wir haben knapp über 1.000 Behälter draußen, das ist das BAM-akkreditierte Retron-System, was eben auch unter dem Sicherheitsaspekt defekte Batterien sicher transportieren kann. Das bedeutet, wenn wir ein altes Automobil bekommen, kennen wir in der Regel auch nicht den Zustand. Dann wird die Batterie in dieses sicherheitsentsprechende Behältnis reingepackt und wird dann als Gefahrgut über die Straße transportiert. Solange wir einen Thermal Runaway in dem Behälter haben, passiert nichts. Das ist das Besondere an dem System. Insgesamt werden uns deutlich umstellen müssen, wir werden mit anderen Systemen agieren müssen. Wir benötigen vor allen Dingen Systeme, die handhabbar sind. Systeme, bei denen irgendwelche Zusatzstoffe eingefüllt werden, in welche man die Batterie einbettet, sind auf Dauer nicht tragfähig, wir werden Spezialbehälter brauchen. Das ist eben das, was wir als Unternehmen vor 2 bis 3 Jahren angefangen haben zu entwickeln. Diese Behältnisse sind jetzt auch im Markt. Die finden sie im Übrigen bereits in den Werkstätten der großen OEMs wieder.

Prof. Bernd Friedrich Vielleicht geben wir diese Frage direkt an Accurec weiter; wir werden also ein paar Batterien auf der Autobahn haben. Wir werden sicher aber auch bei den Recyclingfirmen Batterie-Lager haben. Haben wir das sicherheitstechnisch im Griff?

Dr. Reiner Sojka Ich denke, auch da ist eine Umstellung notwendig, und wir haben versucht, das hier in Krefeld im neuen Werk umzusetzen. Also – die Bandlast von diesen Batterien ist schon so massiv, dass man die Lager entsprechend mit Sicherheitsmaßnahmen, zum Beispiel großen Löschanlagen ausrüsten muss, sobald sich dort eine größere Menge Batterien wiederfindet. Zum Transport noch ein Kommentar, auf den vielleicht Ihre Frage auch ein bisschen hinzielte: Können wir uns große Transportvolumen quer durch die Republik überhaupt leisten? Es ist ein Abfall, es ist ein Gefahrgut und es wird wahrscheinlich in Zukunft auch ein gefährlicher Abfall sein von der Abfalleinstufung her. Das zu transportieren ist eine relativ teure Sache, was dazu führen wird, dass man wahrscheinlich eher regionale Lösungen bei der Vorbehandlung und beim Recycling findet, und dadurch das Logistikproblem etwas moderiert wird.

Prof. Bernd Friedrich Jetzt greife ich das gleich mal auf: Ich stelle mir das also vor, jetzt kommt ein LKW an, mit einer Batterie im kritischen Zustand. Ich kann meinen Mitarbeitern nicht zumuten, jetzt an diese kritische Batterie noch zwei Kabel anzuschließen, um sie elektrisch zu entladen. Das machen viele, um die Energie zurückzugewinnen. Man muss einen sicheren Zustand bekommen, um diese Batterie noch unter Kontrolle zu kriegen. Ist das auch schon technisch gelöst?

Dr. Reiner Sojka Das ist eher ein organisatorisches als ein technisches Problem, es gibt einen Modus Vivendi bei uns. Sobald eine solche Batterie den Hof berührt, wird eine Sofortmaßnahme ergriffen, sprich, die Batterie wird sofort demontiert, um sie in kleinere Module oder in Zellen zu zerlegen. Um die Gefahr sozusagen volumentechnisch zu reduzieren und in den Griff zu kriegen, und dann die Batterie elektrolytisch zu entladen. Das heißt, damit ist die Gefahr unmittelbar entzogen.

Prof. Bernd Friedrich Aber ein Kabel anschließen und dann Strom rausziehen, das ist dann vorbei? Das macht man dann nicht mehr?

Dr. Reiner Sojka Das würde ich nicht empfehlen, weil es natürlich immer ein unkontrollierter Prozess ist. Sie müssen daneben stehen bleiben, das ist ein bisschen teuer.

Prof. Bernd Friedrich Es gibt verschiedene Alternativen, wie man mit so einer Batterie umgeht. Zum Beispiel die Zerkleinerung. Jetzt hat sich die Accurec sehr stark auf eine thermische Sicherheitstechnologie konzentriert. Ist es nicht so, dass eigentlich jeder Recycler sich zumindest eine kleine thermische Behandlung hinstellen sollte, um Module, die ausgebaut wurden, aber kritisch sind, doch schnell noch mal durch einen Ofen zu schicken, damit sie dann sicher sind? Oder kann man wirklich mit gutem Gewissen in einen Prozess gehen und so eine kritische Zelle direkt in einen Schredder geben?

Dr. Reiner Sojka Es gibt zwei Parteien, die sich technisch den Markt teilen. Die einen sagen „wir hauen das in den Schredder“, und die anderen sagen „wir müssten da noch etwas anders machen; wir müssen die thermisch deaktivieren“, so würden wir es bezeichnen, um eben die Bestandteile zu entfernen, die „Ärger“ machen, da sie sehr leicht brennen. Es wird sich im Laufe der Zeit zeigen, was die bessere Alternative ist. Aber man ist sich eigentlich in der Branche einig, dass man zu irgendeinem Zeitpunkt – ob es am Anfang, der Mitte oder am Ende ist – das Produkt warm machen muss, um sich einfach der Bestandteile zu entledigen, die besonders kritisch sind.

Prof. Bernd Friedrich Jetzt haben wir eine politische Vorgabe 50 Gewichtsprozent der Zelle zu recyceln. Und das soll in den nächsten vier, fünf Jahren auf 65 Prozent hochgeschoben werden. Welche Elemente muss man eigentlich recyceln, um überhaupt auf diese 65 Prozent zu kommen?

Dr. Reiner Sojka Das ist eine gute Frage, denn das ist immer noch nicht geklärt. Diese 65 Prozent – und das habe ich jetzt im Gesetzgebungsprozess in Brüssel auch nochmal dieser Tage erfahren – die sind noch nicht genau definiert. Wir gehen davon aus, dass es sich auf alle metallischen Bestandteile bezieht. Das würde heißen, dass wir im Grunde Stahl, Aluminium, Kupfer, Nickel, Kobalt – und dann auch verpflichtend das Lithium – zurückgewinnen müssen. Dann kommen sie auf die 65 Prozent.

Prof. Bernd Friedrich Metall ist ein gutes Stichwort, das will ich an Trimet weitergeben: Da gibt es bestimmt schon eine Analyse bei trimet, wie sich der Aluminiumbedarf vielleicht auch in der Sorte verändern wird. Welche Entwicklung gibt es in der Belieferung Richtung Elektromobilität, aber auch, wie verändern sich die Recycling Ströme? Vielleicht werden es immer mehr Elektrofahrzeuge, die zum Recycling kommen.

Dr. Andreas Lützerath Die erste gute Nachricht ist ja: durch die e-Mobilität steigt der Bedarf an Aluminium. Gucken wir mal gar nicht auf die Batterie und die Kathode, sondern wirklich rein vom Leichtbau her. Wenn man heute ein kommerzielles Fahrzeug betrachtet – auf der anderen Seite ist dann Tesla – dann sehen wir einen sehr, sehr starken Anstieg im Aluminium. Gerade, wenn Leichtbau ein Thema ist, dann sehen wir natürlich im Bereich der Batterie selber Strangpressprofile und Bleche, die eingesetzt werden. Und auch sehr stark Knetlegierungen. Wir sehen in der Legierung einen Shift, wenn ich den Verbrenner betrachte, wo ich in den Rückläufen, zum Beispiel einen Motorblock und den Zylinderkopf habe, mit zum Beispiel sehr hohen Kupfergehalten – an der Stelle ist ja dann eine Temperaturfestigkeit entscheidend gewesen. Das sind Legierungen – bisher jedenfalls – die wiederum nicht im e-Car-Bereich verwendet werden. Aber alle sonstigen Bestandteile, das ist erstmal für uns „Aluminium“, das ist sehr einfach.

Prof. Bernd Friedrich Aber das sind schon Veränderungen, wenn wir an den Motorblock denken oder an das Getriebegehäuse eines Verbrennermotors… Das sind hochlegierte Aluminium-Qualitäten, die auch ein bisschen robuster sind gegen Kontamination im Recyclingstrom. Wenn ich jetzt sehe, dass mehr und mehr Knetlegierungen eingesetzt werden, kommt ja eigentlich die Anforderung an den Schrott, dass er „sauberer“ wird.

Dr. Andreas Lützerath Genau. Ein entscheidender Punkt sind beispielsweise Motorblöcke und Zylinderköpfe et cetera, wo ich Legierungen habe, höher legiert, wo der Anteil vor allem von Kupfer, aber auch die Eisengehalte, höher sind. Und wir sehen nun einen immer breiteren Einsatz von Knetlegierungen.

Damit müssen wir uns beschäftigen. Generell ist das etwas, das sieht man in der Aufbereitung der Schrotte, in der Trennung zwischen bestimmten Legierungsklassen. Das wird immer wichtiger, damit man auch das Recycling und den Schmelzprozess danach sehr zielgerichtet gestalten kann. Zudem gibt es eine Entwicklung in der Legierungstechnik. Wir sind an dem Punkt, wo wir sehen, wir müssen an der Legierung weiterarbeiten, die vielleicht wieder ein bisschen aufmachen, die in der Vergangenheit sehr eng spezifiziert wurde. Es gibt verschiedene Forschungsprojekte – eins ist ein BMWI Projekt. Man spezifiziert Legierungen und überlegt, wie man Schrotteinsätze wieder erhöhen und damit aber auch bestimmte Legierungselemente erhöhen kann, wie Kupfer, Eisen, Nickel, und so weiter.

Und man muss natürlich auch nochmal die mechanischen Eigenschaften und die Korrosionseigenschaften ansehen. Das ist ein sehr, sehr wichtiges Thema, was uns als Aluminiumindustrie natürlich umtreibt und wo die Forschung jetzt den Schwerpunkt setzen muss.

Prof. Bernd Friedrich Jetzt gehe ich nochmal ganz kurz zu Accurec zurück – kann man denn diese höheren Reinheiten aus dem Alu-Recycling, also Gehäuse, andere Komponenten, aber vor allem auch Folien überhaupt sicherstellen durch einen Prozess? Oder wird es schwierig, das zu erfüllen, was die Aluindustrie eigentlich gerne hätte?

Dr. Reiner Sojka Ob Folien aus den Kathoden zurückgewonnen werden können, das muss man noch sehen. Man muss davon ausgehen, dass das eher ein Downcycling ist als ein Recycling, weil wie Pre-Kontaminationen da schon ziemlich groß sind.

Wir haben uns jetzt für einen größeren Zeitraum die Legierung aus den konstruktiven Teilen angesehen, die sind sehr gut verwendbar. Anforderungen, die aus der Ausschmelzung der Materialien kommen, sind erträglich – das ist handlebar.

Prof. Bernd Friedrich Lithium ist ja eigentlich ein rotes Tuch für die Aluindustrie – für viele Legierungen. Und jetzt kommt aus der Lithium-Ionen-Batterie irgendeine Aluminiumqualität, die eventuell mit Lithium kontaminiert ist. Das wird noch ein Thema werden, denke ich. Aber das Gehäuse selbst kann man wahrscheinlich sehr sortenrein und sauber übergeben, oder?

Dr. Reiner Sojka Das ist so. Auch in Großversuchen zusammen mit Aluminiumrecyclern sehen wir da nicht das Problem. Hinsichtlich der in Summe großen Mengen an Aluminium an Kathoden wäre ich im Moment eher skeptisch.

Prof. Bernd Friedrich Ja, dann gebe ich zu Arubis rüber: Wenn wir jetzt diesen wahnsinnigen Zuwachs nehmen, der von den großen Wirtschaftsstrategen prognostiziert wird – da kommt ja eine Unmenge an Elektro- und Elektronikschrott auf eine Aurubis zu. Zwei Fragen: Wird sich dafür die Technik irgendwie anpassen müssen oder steht das alles? Und kann man überhaupt die Mengen aufnehmen, oder muss man da noch ein zweites Werk wie in Lünen bauen?

Dr. Adalbert Lossin Ja, zunächst kann ich auch erst mal für Kupfer sprechen. Unser Hauptmetall ist ja nach wie vor Kupfer und – wie Herr Lützerath vorhin auch schon sagte – was für Aluminium gilt, das gilt auch für Kupfer. Der Kupferanteil im Elektroauto ist natürlich viel höher als im normalen Verbrenner. Also im Verbrenner-Auto reden wir von etwa 25 Kilo, im Elektroauto haben wir etwa 70 Kilo. Da sehen wir schon mal eine Zunahme von unserem Hauptmetall in verschiedenen Anwendungen. In den Batterien, allerdings eben auch als Stromschienen und auch in mehr Elektronik. Damit komme ich auf Ihre Frage zurück: keine Batterie ohne Ladeelektronik, ohne Wechselrichter und ohne Steuerungselektronik. All das kommt natürlich im Vergleich zum Verbrenner noch hinzu. Wenn wir über Mengen sprechen, da gab es kürzlich ein Forschungsprojekt, in welchem analysiert wurde, wieviel Leistungselektronik in einem Elektroauto überhaupt verbaut ist und wie sie verbaut ist. Wenn ich mich richtig erinnere, sind das zwischen 10 und 20 Kilo Leistungselektronik pro Elektrofahrzeug. Und die setzen sich natürlich zusammen, wiederum aus dem Gehäuse, da gucke ich dann zu Herrn Lützerath, aber da sind natürlich auch sehr hochwertige Leiterplatten drin, das haben Sie ja in Ihrer Frage auch schon angedeutet. Auch darauf sind wir vorbereitet. Wir betreiben in Europa sechs Standorte, an denen wir überall Recycling machen. Lünen in Nordrhein-Westfalen ist unser größter Standort, wo wir eben auch Elektronikschrott im großen Stil verarbeiten. Von der Technik her sind wir darauf eingestellt. Welche Mengen dann am Ende kommen – da ist natürlich auch die Frage wie viele Elektroautos denn recycelt werden. Ich denke, da können wir uns gut drauf einstellen und es ist auch unser erklärtes Ziel, im Recycling stark zu wachsen. Wir sind bereit.

Prof. Bernd Friedrich Wenn wir den Elektronikschrott genauer betrachten und die Leiterplatte, die ja im wesentlichen Organik ist – das ist ja eine kunstharzgebundene Platte. Irgendwann wird ja mal jeder Ofen sagen, „jetzt reicht`s mir an Energieinput“. Das würde dann ja bedeuten, dass man nicht mehr von dem Elektronikschrott da hineinbekommt. Kann man vielleicht den Energieinhalt von so einem Elektronikschrott vielleicht im Vorfeld irgendwie generieren? Dann reden wir über eine Kreislaufführung von Kohlenstoff oder von Energie, vielleicht durch eine thermische Konditionierung wie das bei der Batterie gemacht wird, um eben die Mengen durch so einen klassischen Prozess zu erhalten und gleichzeitig den Energieinhalt zu nutzen. Gibt es da irgendwelche Überlegungen zu?

Dr. Adalbert Lossin Das ist ein wichtiger Punkt. Wir haben es schließlich bei Elektronikschrotten eben immer mit Verbundwerkstoffen zu tun, wo verschiedene Metalle drin sind, wo Kupfer drin ist, wo die Edelmetalle drin sind und dann eben auch Kunststoffe und Nicht-Kunststoffe, wie Keramikmaterialien, und eine ganze Mengen Flammenhemmer noch dazu. Insofern ist es erst mal gut, im Vorfeld so viel mechanische Trennung zu machen, wie es geht. Das ist auch Bestandteil der Wertschöpfungskette, das ist etabliert. Das macht die Remondis, das machen wir, das machen viele in der Wertschöpfungskette. Wenn es auf thermische Vorbehandlungen zu sprechen kommt, das ist ein Thema, was man in der Kunststoffecke in der letzten Zeit sehr häufig sieht, dass Firmen sich mit thermischer Behandlung von Kunststoffen befassen. Aus heutiger Perspektive muss man eben auch die CO2 Bilanz im Hinterkopf haben. Es geht nicht nur darum, für den Ofen zu denken, sondern auch ein bisschen ganzheitlich zu denken. Ich erwarte, dass da noch einiges an Forschung und Entwicklung stattfinden wird. Das ist aber – glaube ich – in Ihrem Hause auch der Fall. Ich kann mir da viel vorstellen, aber ich glaube, das ist noch eher Forschungs- und Entwicklungsgebiet. Wenn ich das mal vergleiche mit dem, was wir heute schon können, da sind wir sehr sicher, bei der thermischen Vorbehandlung, da stehen wir eher noch relativ weit am Anfang.

Prof. Bernd Friedrich Vielleicht nochmal eine logistische Frage, Herr Fendel. Wie könnte man sich das logistisch vorstellen? Wie wird das organisiert? Die Autos würden an vielen kleinen Werkstätten zurückgegeben. Wird man logistisch diese Fahrzeuge an viele mittelgroße Sammelstellen bringen und dann von dort zu den Recyclern, oder wird es Zerlegungsanlagen geben müssen, die dann vor Ort vielleicht schon mal separieren, bevor das überhaupt auf ihre LKW geht?

Dr. Ansgar Fendel Ja, da gibt es viele Ideen. Wir sind in dem Bereich im niederländischen Markt schon aktiv. Die haben ein anderes Rücknahmesystem, das ist anders organisiert. Dort gibt es die entsprechenden Plätze, und es kommen auch die ersten Elektrofahrzeuge zurück, so dass wir üben können. Wir erwarten, dass der große Schub ab 2028/29 passiert, vorbehaltlich, die Entwicklungsgeschichte der e-Fahrzeuge tritt ein, wie sie prognostiziert worden ist. Wovon wir ausgehen, ist folgendes: Wenn die Fahrzeuge in den Werkstätten bei den OEMs wieder zurückgenommen werden – falls diese Struktur sich durchsetzen sollte, das ist im Übrigen noch völlig unklar – dann muss man davon ausgehen, dass wir die Fahrzeuge zu mittelgroßen Plätzen hinbringen. Das sind die klassischen Schrottplätze. Diese werden aber anders aussehen. Das wird nicht mehr der „klassische Schrottplatz“ sein, sondern es wird eher ein Demontageplatz, da insbesondere die Teile, die besonders kritisch sind, vorher entnommen werden müssen. Das haben wir eben hinlänglich diskutiert. Wir müssen die Batterie besonders behandeln und das Fahrzeug an sich auch. Eins darf man sicher auch nicht vergessen: wenn die Traktionsbatterie aus dem Fahrzeug entfernt ist, haben wir noch eine Fülle anderer Lithium-Ionen-Batterien in dem Fahrzeug. Die zu finden, ist schwierig, weil wir nicht genau wissen, wo sie positioniert sind.

Prof. Bernd Friedrich Wir haben auch keine richtige Normung, wie eine Batterie auszusehen hat. Man baut aus Design-Gründen oder aus technischen Gründen seine individuellen Batterien, und jedes einzelne Auto hat wieder einen anderen Aufbau. Das bedeutet, dass diese Sammelplätze sehr stark manuell bedient werden müssen. Da müssen erfahrene Demonteure sitzen. Oder kann man sich irgendwie vorstellen größere Autos oder vielleicht auch Batterien automatisch per Roboter zu demontieren?

Dr. Ansgar Fendel Ja, wir sind in sehr intensiven Überlegungen, das zu automatisieren. Aber sie haben eine sehr entscheidende Einschränkung gemacht, das ist die Frage nach Standardisierung von Systemen. Ich will ein Beispiel nennen aus unserem täglichen Lebensbereich: jeder, der ein Smartphone kauft, kämpft mit den verschiedensten Kabelsystemen. Die Standardisierung von Batteriesystemen in der Automobilindustrie können wir nicht beeinflussen. Die wünschen wir uns, aber wir sehen gerade den gegenläufigen Trend. Der eine Anbieter benutzt die Batterie noch mit als konstruktives Verstärkungselement, der andere macht es anders und baut sie irgendwie ein. Wir bekommen eine unglaubliche Modellvielfalt. Das zeichnet sich jetzt schon ab, und das muss man schlicht und ergreifend sagen: da wird die Automatisierung unglaublich komplex und wir werden am Anfang auf die manuelle Zerlegung zurückgreifen müssen.

Prof. Bernd Friedrich Vielleicht kann ich die Frage der Demontage auch noch mal an die Accurec weitergeben. Wir haben ja – glaube ich – im Moment eine Rückrufaktion von 80.000 Autos eines Automobilherstellers laufen, da kommen 80.000 Batterien evtl. zur Demontage. Da könnte ich mir vorstellen, dass so ein einmal geschultes, gelerntes Robotersystem vernünftig arbeiten könnte. Aber wenn ich jedoch ein Recyclingzentrum vorstelle, wo jeden Tag ein LKW einrollt, mit einem Gemisch aus verschiedenen Batterien, wird es sehr schwierig sein, jedes Mal den Roboter wieder umzustellen, richtig?

Dr. Reiner Sojka Es wird mit Sicherheit einen Bodensatz geben, den man immer wieder manuell zerlegen muss. Allein, weil er vermutlich in irgendeiner Art beschädigt sein wird und nicht in die vollautomatische Demontage gehen kann. Ich würde aber meinem Vorredner nicht ganz zustimmen, wir sehen jetzt schon in der Konstruktion verschiedener Hersteller Standardisierungstendenzen. Volkswagen – beispielsweise – hat jetzt dazu schon eine Plattform in Betrieb genommen, bei der die Submodule, die einzelnen Zellblöcke, die dort eingesetzt werden, für alle Modelle gleich sind. Ein Taycan hat im Grunde das gleiche Modul-Innenleben, wie ein Golf. Und für die verschiedenen Leistungsstufen werden dann im Grunde nur weitere Module hinzugefügt. Gerade wenn ein Massenhersteller damit beginnt, so etwas zu standardisieren, wird es auch dann irgendwann mal interessant, eine Automatisierung in die Demontage mit einzusetzen. Es ist aber jetzt noch Zukunftsmusik und in einer Übergangsphase vielleicht in den nächsten fünf, sechs, sieben Jahren werden wir erst noch mit relativ teurer, hochgeschulter manueller Demontage leben müssen.

Prof. Bernd Friedrich Wenn man an Daimler denkt – eines der neueren Modelle wird ja gerade mit Modulen von Tesla bestückt. Die Tesla Module sind eigentlich nicht für Recycling ausgelegt. Die werden verklebt, damit sie lange halten. Das ist genau genommen genau das, was wir fürs Recycling gar nicht so gerne hätten. Wir haben den Spagat zu machen: eine super haltbare Batterie, die aber im Recycling genau das Gegenteil hat, die sehr schön ins Recycling zerfällt.

Dr. Reiner Sojka Ein Punkt noch dazu: Neben dieser Standardisierung von großvolumigen Modellen sehen wir aber noch eine zweite Tendenz, die vielleicht über diese Phase hinaus geht. Der Kunde wünscht sich eine sehr hohe Energiedichte, um entsprechende Reichweiten irgendwann mal zu erreichen. Und das erreichen Sie nur, indem Sie die sogenannte Cell-to-Pack-Technology einsetzen. Pouch-Zellen sind im Grunde Zellen, die kein richtiges Gehäuse mehr haben, sondern nur noch eine leicht aluminierte Kunststoffhülle, die zusammen verklebt werden zu einem Batterieblock. Die sind natürlich nicht mehr demontierbar. Da können sie vielleicht noch einen Deckel abschrauben, aber ansonsten ist diese zukünftige Technologie als Ganzes zu verarbeiten, und dann muss auch Recycling wieder neu überdacht werden, nämlich eine robuste Technik zu haben, die eine solche Batterie als Ganzes verarbeiten kann.

Prof. Bernd Friedrich Herr Fendel, die haben gerade eben die Demontagezentren angesprochen. Besteht nicht die Gefahr – wenn man jetzt viele solcher, vielleicht im Unterauftrag vergebene Demontagezentren hat – dass einige doch sehr wertvolle Komponenten, ich denke da an Elektronikschrott oder an Motorenblöcke, dort unter die Räder kommen könnten?

Dr. Ansgar Fendel Vielleicht erlauben Sie mir kurz noch auf das Thema Standardisierung einzugehen. Man sollte nicht „Plattformtechnologie“ und „verschiedene Hersteller“ verwechseln. Es ist richtig, VW hat eine Plattformtechnik, alle großen Hersteller haben das. Aus produktionstechnischen Gründen. Aber wir bekommen nie einzelne Hersteller zurück, sondern wir bekommen die Mengen aus der Automobilindustrie zurück. Das habe ich versucht, damit zu erläutern. Daher ist das kein Widerspruch, sondern das ist vielleicht nur eine Ergänzung. Ich bin da völlig bei Ihnen, wir werden eine ganze Zeit lang manuell recyceln müssen. Zurück zu Ihrer Frage, wie gut Sie diesen Markt in den Griff bekommen. Da – glaube ich – hilft uns ein bisschen das Regulativ. Wir haben gerade kurz über die Recyclingquoten gesprochen, die die EU vorschreibt. Das andere Regulativ ist die Fragestellung, wie wir in Zukunft mit Recycling-Rohstoffen umgehen: Wie werden sie bepreist? Wie sind sie bewertet? Daher gehe ich davon aus, dass die einzelnen OEMs ein hochgradiges Interesse daran haben, dass ihre rücklaufenden Fahrzeuge – solange sie noch im Eigentum der Fahrzeughalter sind – in diesen Demontagezentren ordnungsgemäß verwertet werden. Ich kann natürlich nur für unser Unternehmen sprechen und nicht für Andere und andere Strukturen. Bei uns ist das eindeutig, auf unseren Plätzen, auf denen wir rückgewinnen. Wir haben – wie alle anderen Unternehmen in dieser Gesprächsrunde – ein Interesse daran, dass die höchstmöglichste Menge an Metallen wieder in den Kreislauf zurückgeführt werden, respektive rückgewonnen werden.

Prof. Bernd Friedrich Nicht nur in den Kreislauf generell, sondern in Europa im Kreislauf. Dann möchte ich auch gleich weitergeben, sowohl an Trimet als auch an Arubis: Wir haben natürlich in der Vergangenheit unheimlich diesen Sog an Rohstoffen Richtung Asien gehabt.

Inwieweit wird die Digitalisierung eine Rolle spielen beim Recycling von Batterien der Zukunft? Zum Beispiel in Form eines digitalen „Product Passports“, in welchem die Produktionshistorie und einzelne Bestandteile, die Legierung, der Recyclingprozess, das Sortieren etc. erfasst sind. Wie wird das Ganze unterstützt werden? Ein QR Code auf dem Batteriepack ermöglicht die komplette Verfolgung, welches Produkt aus welcher Batterie, mit welchem historischen Hintergrund dann entstanden ist?

Nan könnte auch sagen, ein QR Code am Gehäuse der Batterie oder es könnte auch ein QR Code sein für das gesamte Elektroauto, wo man dann auslesen kann, an welcher Stelle ist eigentlich was verbaut worden, um letztendlich diesen QR Code dem Roboter zu geben. Und der kann dann den Bauplan des Elektrofahrzeuges abrufen und die einzelnen Komponenten direkt finden und ausbauen. Visionär vielleicht in der Form, oder?

Dr. Ansgar Fendel Ja, das ist natürlich ein Traum oder das Paradies fürs Recycling, was Sie gerade beschrieben haben. Es ist mehr als wünschenswert, sowas zu haben. Ich kann jetzt nur aus unserer bisherigen Praxis beschreiben: Jedes Batteriepack aus dem Automotive-Bereich hat natürlich eine Codierung. Die können Sie wieder an den OEM zurückspielen, und der kann Ihnen dann exakt sagen, wie die Charge aussieht und wo sie herstammt. Aber wir kriegen nicht die Information darüber, wer, wo, was, wie verbaut hat. Die Nachverfolgung der Batterie, das ist auch im Interesse OEMs. Da gibt es auch Plattformsysteme, die sowas anbieten. Ich möchte nur eins darüber sagen, damit – jetzt schütte ich ein bisschen Wasser in den Wein rein – Sie müssen die Codes oder die Codierung so hinbekommen, dass sie in jeglicher Position auslesbar ist. Das ist eine der großen Schwierigkeiten, die man hat. Wenn sie nur an einer bestimmten Position ist, so wie sie in der Produktion durchgeführt wird, dann ist das nicht zwangsläufig sicher nutzbar fürs Recycling, weil sie dann immer die entsprechende Position wieder finden müssen.

Prof. Bernd Friedrich Nicht nur an jeder Position, sondern auch in jedem Alter…

Dr. Ansgar Fendel Ja, das kommt auch noch dazu. Da fällt eine Fülle von Dingen ins Gewicht. Wenn wir uns was wünschen dürften, hätten wir ein System, was mit einem Empfang von 3 Metern, egal wo es ist, alles auslesen kann. Aber sowas gibt es leider nicht.

Prof. Bernd Friedrich Aber da steht ja auch eine IT-Frage hinter. Jeder Hersteller müsste dann den gesamten Bauplan dieses Produkts hinter diesem QR Code verstecken und das würde ja dann quasi bedeuten, er würde sein gesamtes Know-How ausbreiten.

Dr. Ansgar Fendel Darüber hinaus hat er auch in der Regel nicht Detailkenntnisse über den Zellchemismus. Er bekommt die Zellen mit einer bestimmten Spezifikation.

Dr. Andreas Lützerath Eine wichtige Entwicklung geschieht natürlich auch im Bereich der Vorsortierung. Wenn ich etwas geschreddert habe, damit ich erst mal zwischen Schwermetallen, Leichtmetallfraktionen und anderen Fraktionen unterscheiden kann – auf dem Wirbelstromabscheider oder dem Magnetabscheider. Und dann geht’s weiter mit LIBS-Spektroskopie, da wird viel geforscht und untersucht. So sind wir irgendwann mal in der Lage, verschiedene Legierungsklassen zu unterscheiden, eine 6000er Legierung, eine Magnesium-Silizium-Legierung von einer 5000er Legierung. Jetzt kommt die hohe Kunst: ich habe eine 6000er Legierung, Magnesium und Silizium sind Hauptbestandteile. Ein Teil hat jedoch einen hohen und der andere Teil hat einen niedrigen Zinkgehalt. Das eine kommt aus einer Anwendung, die eloxiert war und die andere nicht. Kann ich das mit hohen Durchsätzen auch noch unterscheiden? Das sind spannende Fragen, das wird eine spannende Entwicklung sein. Denn je feiner ich von Anfang an sortieren kann und wirklich genau in die verschiedenen Legierungsklassen sortieren kann, umso mehr wird das Recycling natürlich nachher vereinfacht.

Prof. Bernd Friedrich Ja, aber das setzt einen Schritt weiter auf: dann haben wir einen Schredder, der erst mal alles vermischt. Wir Wissenschaftler sagen, wir erhöhen die Entropie, das Chaos, und versuchen das mühsam mit einem Sensor wieder zu sortieren.

Dr. Andreas Lützerath Das wird am Ende die Frage sein, was weniger Prozessschritte hat und was wirtschaftlich attraktiver ist.

Prof. Bernd Friedrich Der andere Ansatz wäre gewesen wir haben einen QR Code, und der sagt mir ganz genau, an welcher Stelle in dem Auto magnesiumhaltige Werkstoffe verbaut sind. Dann kommt der Roboter, zieht das raus und wirft das in die Kiste mit dem magnesiumhaltigen Werkstoff.

Dr. Andreas Lützerath Bei den heutigen Magnesiumpreisen hoffentlich nicht so viel…

Dr. Reiner Sojka Die Frage zielte aber eigentlich auch mehr in Richtung Digitalisierung Abfallbranche und greift ein Thema auf, welches das erste Mal im ersten Entwurf der „Battery Regulation“ genannt wurde: Eine gezielte Information, die mit dem Produkt geliefert wird. Und das ist sicherlich sehr neu. Gerade bei einem komplexen Produkt wie der Batterie ist das auch in einer gewissen Informationstiefe auch sinnvoll. Dabei ist jetzt egal, ob das ein QR Code ist oder man an den Digitalen Zwilling denkt. Warum? Weil man nicht nur eine Information – vielleicht über die Baukomponenten – haben will, sondern in dem Fall z.B. auch wichtige Informationen darüber sammeln muss, wie der Zustand der Batterie ist. Wie wurde die genutzt? Und wie ist sie – zumindest zum Teil – verwendbar für ein zweites Leben? Und das ist die Idee dabei: Die Abfall-Hierarchie hier nochmal ins Spiel zu bringen. Erstmal kommt das Reuse, wenn die Batterie noch in gutem Zustand ist. Das kann ich z.B. parallel über die gespeicherten Daten möglicherweise schnell erfahren. Kommt da irgendwas Komisches drin vor, z.B. sie ist heiß geworden, und sie daher nicht für den „2nd live use“ qualifiziert ist, dann kommt sie zum recyclen.

Prof. Bernd Friedrich Wir haben eine stark dynamische Zeit im Moment, weil wir ein neues Produkt in einem ganz neuen Geschäftsfeld entwickeln. Das heißt, alle 5 Jahre ändert sich ja zum Teil sogar ein Teil der Chemie der eigentlichen Zelle. Wir merken das im Moment an einem Digitalisierungsprojekt zum Thema Smartphone Recycling. Die Überlegung ist hier die Gleiche. Warum nicht in einem Recyclingstrom – wenn ein Handy reinkommt – dieses bei der Zerlegung immer mit dem gleichen QR Code versehen, so dass man nachher die Leiterplatten aus einer bestimmten Generation zusammenführt. Es kann durchaus sein, dass ein Samsung, ein Apple oder wie auch immer ganz andere Wertmetallinhalte, andere Bauformen hat, die man sinnvollerweise zusammenführt. Das könnte man über Digitalisierung sicherlich hinbekommen. Es wären ja hier dieselben Fragen: Wo ist Lithium-Eisen-Phosphat drin, wo ist NMC und wo ist vielleicht ein altes LCO System noch verbaut? Das könnte man über eine Digitalisierung und die Zusammenführung dieser Mengenströme sicherlich nochmal wieder besser hinkriegen.

Ich würde vielleicht nochmal eine Frage stellen, an der Stelle an die Metallproduzenten. Ist Europa eigentlich generell der richtige Standort – im Hinblick auf politische Vorgaben, Energiekosten, Personalkosten – solche Recyclingzentren zu betreiben? Das wäre ja schön, aber wie sehen Sie das, lieber Herr Lossin? Sie führen ja ein internationales Unternehmen.

Dr. Adalbert Lossin Ja, internationales Unternehmen, aber hauptsächlich in Europa. Aber – es ist absolut sinnvoll, das Recycling hier in Europa zu betreiben. Zum Punkt „Energiebedarf“: ja, man muss Energie aufwenden für einen Recyclingprozess. Aber im Vergleich zur Primärherstellung von vielen Metallen ist der Energiebedarf viel geringer, den man beim Recycling aufwenden muss. Das bedeutet, dass das Recycling im Sinne von CO2-Reduzierung ein sehr, sehr wichtiger Baustein ist. Darüber hinaus ist Europa gerade in unserem Bereich der NE-Metalle – Kupfer, Edelmetalle, Nickel, Zinn – nicht so sehr mit primären Ressourcen gesegnet. Wenn wir also hier produzieren wollen, wenn wir Batterien produzieren wollen, sollten wir auch alte Batterien recyceln, damit wir möglichst viele Rohstoffe in Europa halten und wiederverwerten können und diese nicht durch die ganze Welt transportieren müssen.

Prof. Bernd Friedrich Jaja, aber wenn ich an „low cost countries“ denke – die kommen ja mit dem Pfund geringerer Personalkosten, geringerer Energiekosten und so weiter. Und dagegen muss man ja irgendwas setzen. Das ist Technologie, das sind natürlich auch Transportkosten. Aber – wie ist Ihre Einschätzung? Haben wir eine Chance, oder müssen wir drauf achten, dass vielleicht politische Rahmenbedingungen verhindern, dass die alle über Hamburg in den Containern den Kontinent verlassen?

Dr. Adalbert Lossin Also ich glaube, wenn es wirklich ums Recycling geht, haben wir eine gute Chance. Jedoch – kommt es überhaupt zum Recycling? Wenn man an Autos heute denkt, werden ja auch viele exportiert. Da kommen wir gar nicht mehr dran, sozusagen. Da wäre das Regulativ schon vorher gefragt. Aber wenn es ums Recycling geht, da haben wir eine gute Chance. Unsere Prozesse sind wettbewerbsfähig. Da sind wir nicht schlecht aufgestellt.

Dr. Andreas Lützerath Ich würde sogar sagen, wir sind sehr gut aufgestellt. Recycling gehört unbedingt nach Europa, auch nach Deutschland. Bei Aluminium haben wir eine höhere Sekundärproduktion als Primärproduktion. Trimet ist ein Familienunternehmen, wir haben in Deutschland und in Frankreich Standorte. Wir verfolgen beides, Primär- und Sekundärproduktion von Aluminium. Und das Recycling hat natürlich erst mal einen großen Vorteil, wir benötigen nur etwa 5% der Energie im Vergleich zur Primärherstellung. Das wird immer vergessen. Wir benötigen dennoch primär – gerade im Aluminiumbereich. Es ist ein sehr junges Metall, es wächst noch. Man kann grob sagen, dass etwa 70 bis 75% des Aluminiums, was je produziert worden ist, im Lebenszyklus auch noch „in use“ ist. Das macht es auch manchmal etwas schwierig, wenn Kunden mit „Recycling“ oder „Recycled Content“-Vorstellungen kommen und gerne 50 oder 100 Prozent Schrott haben möchten, der gar nicht unbedingt zur Verfügung steht. Aber wir haben hier in Europa und in Deutschland erst mal ein sehr gutes System, auch über die Erfassung. Unternehmen, ob das Remondis oder ein anderes ist, haben eine gute Aufbereitung, eine sehr, sehr gute Infrastruktur, die das alles schon abdeckt. Die sind extrem stark bei dem Thema Recycling. Und auch extrem wettbewerbsfähig. Herr Lossin sprach es ja auch schon an – es ist natürlich die Frage, was steht am Ende zur Verfügung? Bei Autos im Speziellen – da fließen natürlich auch schon einige Dinge ab, die dadurch gar nicht mehr hier verfügbar sind.

Prof. Bernd Friedrich Was ist denn dann unser Vorteil, diese Materialien hier in Europa halten zu können? Ist das „Volume of Scale“, ist das Technologie, die wir haben? Ist es die Logistik? Wir kommen gleich nochmal zu Herrn Fendel zurück, aber vielleicht wollen erst nochmal bei Trimet bleiben.

Dr. Andreas Lützerath Wir haben natürlich hier in Europa die kompletten Wertschöpfungsketten, von Primär über Sekundär. Wir haben bei uns als Trimet beispielsweise hier um Essen und Gelsenkirchen herum unseren Recyclingstandort für stark verunreinigte Schrotte, wo wir aber auch Aluminium-Krätzen verarbeiten können. Wir haben um uns herum, im Umkreis von etwa 200 km, etwa 80% aller Kunden sitzen. Hier sitzen um uns herum also die Unternehmen, die das Aluminium weiter walzen, die die Bleche herstellen, die Strangpressprodukte machen. Hinzu kommt extrem gutes Know-how verbunden mit den Universitäten. Also wird die ganze Wertschöpfungskette hier abgedeckt. Das ist woanders nicht so stark ausgeprägt. Wir können sehr schnell auf neue Kundenanforderungen reagieren. Es ist halt nicht nur „Commodity“ – ich sag es mal ganz platt: eine Legierung, eine Abmessung, die am besten noch 6 Wochen auf dem Schiff zum Kunden unterwegs ist – sondern wir können hier sehr, sehr schnell und sehr nah bedienen. Und das komplette System ist vorhanden. Man sieht es deutlich im Dosenbereich mit extrem guten Recyclingraten, aber auch in anderen Bereichen. Uns gelingt es hier in Deutschland und Europa oft, einen „Closed Loop“ zu schaffen. Wir nehmen Schrotte zurück, wir schmelzen sie um, erzeugen das Produkt und geben es wieder zurück.

Prof. Bernd Friedrich Jaja, aber Ihr müsst ja für den Schrott bezahlen. Außereuropäische Unternehmen zahlen vielleicht ein bisschen mehr. Und mit denen müsst Ihr im Wettbewerb stehen – weil die jetzt irgendwie billiger produzieren können, weniger Umweltauflagen haben, weniger Steuern, alle möglichen Dinge. Da muss man ja mithalten können.

Dr. Andreas Lützerath Das würde jetzt ein bisschen politisch. Natürlich wird’s auch politisch angeguckt. Es wird ja auch versucht, mit bestimmten Steuern und Zöllen Dinge zu lenken. Ich glaube, das ist immer sehr schwierig. Aber man muss sich auch die Transportkosten angucken. Auch das sind Themen, die natürlich den Kunden immer mehr interessieren. Auf der anderen Seite – wie sind die CO2 Emissionen über dem Prozess? Im Scope 2-Bereich über die Energienutzung, da hilft in Deutschland die Energiewende – bis zum Scope 3, also auch, wie sind die Transportwege? Und dann sind wir natürlich im Vorteil. Ich habe hier einen kurzen Transportweg und ich habe nicht erst mal Vormaterialien, die lange unterwegs sind. Definitiv ein Nachteil sind Energiekosten. Das passt nicht zum Thema hier, aber wenn man heute mal auf die Börsenstrompreise aber auch Gaspreise guckt, da wird’s einem schon schwindelig. Das ist eine extrem herausfordernde Situation für alle. Ob es Aurubis ist, ob es Remondis ist. Das ist etwas, wo wir in Europa unbedingt aufpassen müssen.

Prof. Bernd Friedrich Apropos schwindelig, Herr Fendel. Die Preise für Container, insbesondere Überseecontainer, sind ja auch in schwindelerregende Höhen gegangen. Ist das nicht auch ein Vorteil? Materialien in Europa zu halten, weil einfach der Transport sehr teuer geworden ist? Ob ich jetzt ein Elektrofahrzeug als Schrottfahrzeug von Aachen nach Dortmund bringe, oder von Aachen über Rotterdam nach China bringe. Sind das nicht enorme logistische Unterschiede?

Dr. Ansgar Fendel Gut, Sie sprechen jetzt unser Schwesterunternehmen, die Rhenus an, daher bin ich nur bedingt hierzu sprachfähig, aber möchte einen zusätzlichen Aspekt ins Spiel bringen. Herr Lützerrath, wir sollten das jetzt mal volkswirtschaftlich betrachten. Ich glaube, wir erleben gerade einen tiefen Einschnitt, in dem wir sehen, dass der Multilateralismus sich deutlich verändert. Dazu sehen wir protektionistische Tendenzen in vielen Ländern. Und das Dritte, was wir sehen, da sind wir mit Trimet, mit Arubis, und allen anderen natürlich auch, einer Meinung: Wenn wir die Energiewende und den Klimaschutz schaffen wollen, brauchen wir eine Industrie – eine überlebensfähige Industrie in Deutschland. Die macht immerhin 23 bis 24 % des Bruttosozialproduktes aus und ist ein Rückgrat unserer deutschen Volkswirtschaft. Diese These vorausgesetzt – ich hoffe, dass der ein oder andere zustimmt – bedeutet: wir müssen sicherstellen, dass die Lieferketten und die Versorgung in der Industrie sichergestellt sind. Da spielt der Recyclingrohstoff eine sehr, sehr große Rolle. Das sollte man im Auge behalten, um die Fragestellung aufzugreifen „gibt es einen Wettbewerbsdruck aus China oder aus Russland oder von wo auch immer?“ Ja, den gibt es. Wir haben heute nicht die Stahlindustrie in der Runde. Aber – ich will nur eine Zahl nennen – es werden 1,8 Mrd. Tonnen Stahl im Jahr produziert. Davon knapp 1,2 Mrd. Tonnen in China. Die Chinesen haben angekündigt, dass sie demnächst 30% des Stahls über Schrott bedienen wollen. Und jetzt – was Herr Lützerath so schön sagte – Aluminium hat einen bestimmten Lifecycle. Wenn die Chinesen wirklich anfangen zu ziehen, haben wir ein Problem, da aufgrund des Lifecycles die anfallenden Schrottmenge auf dem Markt lmitiert sind. Auch im Schrottbereich. Und dem müssen wir gemeinsam wettbewerblich begegnen. Wir müssen hier die Industrie stärken – da sind die Strompreise derzeit alles andere als förderlich, die Gaspreise auch. Das ist ein Hammer, was da passiert ist, um es einfach zu sagen. Aber wir müssen alles dafür tun, um genau diese Ketten zu schließen, um einen Teil der Versorgung sicher zu stellen über die Recyclingrohstoffe. Wir können es nicht komplett, es gibt Grenzen. Aber wir können vieles tun, um das zu fördern.

Prof. Bernd Friedrich Ich werde mal direkt an Accurec weitergeben: Wenn wir in Europa ein Batterierecycling etablieren, sind wir dann nicht angewiesen darauf, dass der Kreislauf auch in Europa geschlossen ist, sprich, dass wir auch eine Lithium-Ionen-Batterieproduktion in Europa haben? Wäre es – wenn wir das nicht hätten – überhaupt sinnvoll, bis zum Element herunter zu recyclen und dann diese Stoffe ins Ausland zu schicken, wo eine Batterieproduktion ist? Das wäre eine auch eine Sicherheitsfrage, aber – ist es nicht extrem wichtig, dass wir hier die Batterieproduktion in Europa behalten und nicht in eine Situation kommen, die wir schon so oft haben, dass dann beispielsweise aus China einfach mal die Preise reduziert werden, um unsere Industrie zum Kollaps zu bringen?

Dr. Reiner Sojka Also bei solchem Ausmaß an Mobilitätswandel müssen wir natürlich entsprechende Produktionsstätten hier haben. Anders funktioniert das gar nicht und anders könnten auch die Hersteller nicht vernünftig auf die Produktion der OEMs reagieren. Und – ist erst einmal die Produktion hier, ist auch das Recycling unmittelbar hier angesiedelt. Weil sie grob geschätzt mit 5 Massenprozent an Produktionsschrotten in der Herstellung von Batterien rechnen müssen. Und die können sie nicht einmal halb um die Welt transportieren, da wäre der Transportkostenanteil verhältnismäßig unsinnig. Dann ist zwangsläufig das Recycling hier angesiedelt und auch gut aufgehoben. Und da zumindest die Vorverarbeitung nicht energieintensiv ist, entkoppeln wir uns hier ein bisschen dem Problem der hohen Energiekosten.

Prof. Bernd Friedrich Wir sind jetzt kurz vor Ende unseres Gesprächs, aber das ganze Bild stellt sich doch schon so dar, dass wir eigentlich in Europa gut aufgestellt sind, so ein Recycling von Elektrofahrzeugen auch stämmen zu können. Viele Sorgen führen dazu, dass man so ein Elektroauto eben noch nicht kauft, weil dieser Bereich ja eben nicht abgesichert ist. Man muss wahrscheinlich den Konsumenten mehr Informationen bieten, dass man sich da vertrauensvoll an die hiesige Industrie wenden kann. Nochmal vielen Dank an Sie alle für Ihre Zeit!


Schauen Sie sich das Video der Talk-Runde auf YouTube an: youtu.be/Ag1iWzCPA2k

Quelle: NMWP-Magazin

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