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High-Tech aus Nordrhein-Westfalen für innovative Mobilitätslösungen von morgen

© MWIKE NRW/A. Bowinkelmann

Die Cluster NMWP.NRW und automotiveland.NRW im Gespräch mit Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen über die Innovationskraft der starken Automobilindustrie NRWs und die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für die Transformation der Wirtschaft.

Frau Ministerin Neubaur, das Auto ist das beliebteste Verkehrsmittel 2022, zeitgleich möchte NRW bis spätestens 2045 klimaneutral sein. Wie bewerten Sie die Rolle der Automobilindustrie und insbesondere die starke Zuliefererindustrie in Bezug auf die Zukunft der Mobilität?

Neubaur: Eine der großen Herausforderungen unserer Zeit besteht darin, die Mobilität der Zukunft effizient, sicher, bezahlbar und klimafreundlich zu gestalten. Erfahrung und Innovationskraft der Automobilindustrie spielen bei der Mobilitätswende eine zentrale Rolle. Mit der Transformation setzen wir einen verlässlichen Rahmen für die Zukunft. Die großen Trends sind dabei die Dekarbonisierung der Mobilität, die Elektrifizierung der Antriebe, alternative Kraftstoffe, Vernetzung und Automatisierung sowie neue Materialien etwa für den Leichtbau. 

All diese Entwicklungen zusammengenommen führen zu einem tiefgreifenden Wandel der Automobilwirtschaft, die in Nordrhein-Westfalen als Querschnittsbranche mehr als 600.000 Menschen beschäftigt. Wir haben hier einen sehr starken Mittelstand mit bedeutenden Zuliefererbetrieben. Sie sind Spezialisten für Fahrzeugbau und -technik, Metallverarbeitung, Elektrotechnik und Batteriefertigung – und teilweise Weltmarkführer in ihrem Segment. Ein Fünftel der 100 größten Automobilzulieferer in Deutschland kommt aus NRW! Wir können also selbstbewusst sagen: Ein Auto aus Bayern oder Baden-Württemberg fährt nicht ohne Teile aus Nordrhein-Westfalen.

Damit das so bleibt, brauchen wir Investitionen in neue Technologien und Dienstleistungen. Das ermöglicht der Branche zukunftsfähige Geschäftsmodelle und sichert langfristig attraktive Arbeitsplätze in unserem Land.

Schlüsseltechnologien wie die Nanotechnologie, die Nano- und Mikrosystemtechnik, die innovativen Materialien und die Photonik stellen die technologische Basis für die Mobilität der Zukunft. Hierzu gehört auch das Automobil. Welche Aspekte liegen Ihnen hier besonders am Herzen?

Für eine nachhaltige Mobilität benötigen wir auch saubere Autos. Die genannten Schlüsseltechnologien sind dafür unverzichtbar: Neue Antriebe sind beispielsweise nicht ohne spezifisch angepasste Materialien, intelligente Steuerungen und effizienteste Elektronik denkbar. Das gilt auch für Hochleistungsbatterien, die derzeit immer wieder in der Diskussion sind und sich nur mit Nanotechnologie und ausgefeilten neuen Materialen realisieren lassen.

Was mir dabei wichtig ist: Dass wir die Kompetenzen für diese Schlüsseltechnologien vor Ort in Nordrhein-Westfalen haben und hier auch weiterentwickeln. Schließlich benötigen wir dieses Know-How für alle Bereiche der klimaneutralen Transformation.  

Haben Sie Themen, die Ihnen darüber hinaus für die Zukunft der Mobilität wichtig sind?

Für die zukünftige Mobilität werden Digitalisierung, Automatisierung, Vernetzung und neue Mobilitätskonzepte eine zentrale Rolle spielen. Mit automatisierten und perspektivisch auch fahrerlosen – autonomen – Fahrzeugen auf Straßen, Schienen und Wasserwegen können sich Menschen zukünftig deutlich effizienter, sicherer und sauberer fortbewegen. Gleiches gilt für den Transport von Gütern.

Im öffentlichen Nahverkehr brauchen wir einen dicht getakteten, zuverlässigen, vernetzten, barrierefreien und insgesamt nutzerfreundlicheren Nahverkehr. Auch dafür setzt sich die Landesregierung ein.

Wir unterstützen zudem gezielt Pilotprojekte wie etwa das Einschienenfahrzeug Monocab in Ostwestfalen-Lippe, das einen automatisierten, individuellen Personennahverkehr ermöglicht. Denn die Technologie darf kein Selbstzweck sein, sondern muss einen konkreten Nutzen für das Mobilitätssystem als Ganzes haben.

Gerade in NRW haben viele mittelständische Unternehmen, die teilweise Weltmarktführer und unverzichtbarer Bestandteil der Lieferkette in der Automobilindustrie sind, ihre Heimat. Welche Chancen, aber auch Herausforderungen, ergeben sich hieraus für NRW?

Ob bei der Dekarbonisierung, alternativen Antrieben oder automatisiertem Fahren: Der Schlüssel für eine klimafreundliche Zukunft und eine gelingende Transformation sind Innovationen. Ich bin zuversichtlich, dass die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen den Wandel mit ihren neuen Technologien, Produkten und Anwendungen aktiv mitgestalten. Auch eine Studie von IW Consult zur Zukunft der Automobilwirtschaft in Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2021 zeigt, dass unser Land für die Transformation gut aufgestellt ist. Natürlich gibt es Unternehmen, deren Geschäftsmodell noch stark vom Verbrenner geprägt ist. Sie unterstützen wir gezielt dabei, sich für die Zukunft aufzustellen. Die drei vom Bund geförderten Transformationsnetzwerke in den starken Automobilregionen Aachen-Köln-Gummersbach, Bergisches Städtedreieck und Südwestfalen sind hierfür wichtige Ankerpunkte. Darüber hinaus unterstützen wir das von Zulieferern getragene Kompetenznetz automotiveland.nrw und bekennen uns klar zum Ausbau der Infrastruktur für Elektromobilität.

Vor allem aber begleiten wir die Automobilwirtschaft in Nordrhein-Westfalen aktiv bei der Entwicklung von Innovationen. Mit der gezielten Förderung von Chancenfeldern wollen wir die Innovationskraft der Unternehmen stärken und so ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten und ausbauen. Dazu haben wir im EFRE/JTF-Programm NRW 2021-2027 Innovationswettbewerbe in den Themenbereichen „Produktion“, „Mobilität“ sowie „IKT“ aufgelegt. Außerdem profitiert die Automobilindustrie in Nordrhein-Westfalen von Maßnahmen zum klimaneutralen Umbau im Mittelstand und vom Ausbau des 5G-Mobilfunknetzes. So können Wachstum und Beschäftigung nachhaltig gesichert werden.

Welche Bedeutung haben Start-ups für die Innovationskraft und den Fortschritt in der Automobilbranche? Wie können diese High-Tech Unternehmen aus NRW gezielt unterstützt werden?

Die lebendige und dynamische Start-up-Szene in Nordrhein-Westfalen mit vielen wissens- und technologieintensiven Gründungen leistet einen enorm wichtigen Beitrag zum Innovationsgeschehen in unserem Land. Einen großen Anteil daran haben die zahlreichen Hochschul-Spinoffs. Viele Universitäten und Fachhochschulen haben inzwischen Einrichtungen für den Innovationstransfer geschaffen und unterstützen Gründungen aus ihren eigenen Reihen. Um diesen Wandel zu gründungsaffinen Hochschulen weiter zu fördern, hat das Land die Initiative Exzellenz Start-up Center.NRW ins Leben gerufen. Ziel ist es, eine gründungsfreundliche Start-up-Kultur nachhaltig zu verankern. 

Von Kooperationen mit der Start-up-Szene kann auch die Automobilindustrie in Nordrhein-Westfalen profitieren. Denn ohne „Trial und Error“ entstehen keine neuen Ideen und Technologien. Hier bieten etwa unsere fünf Digital Hubs der Initiative #DWNRW in Aachen, Bonn, Düsseldorf, Essen und Münster mit zahlreichen Veranstaltungen eine ideale Plattform zum Vernetzen.

Welche Rolle spielt aus Ihrer Sicht die Aus- und Weiterbildung von Fachkräften für die zukünftigen Anforderungen der Automobilindustrie? 

Wir verbessern die guten Rahmenbedingungen in Nordrhein-Westfalen mit exzellenten Hochschulen und einer stark vernetzten Branche weiter. Auch die Automobilindustrie braucht gut ausgebildete Fachkräfte. Die Landesregierung hat die ressortübergreifende Fachkräfteoffensive NRW ins Leben gerufen, um Aktivitäten zu bündeln und entscheidenden Akteurinnen und Akteure des Arbeitsmarkts eng einzubinden. Besonders großes Potenzial sehen wir bei Frauen, das wir durch eine bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf und flexible Betreuungsangebote in Kommunen und Unternehmen heben möchten. Auch Migrantinnen und Migranten sind Teil der Lösung. Hier brauchen wir eine echte Willkommenskultur!

Auch die Unternehmen selbst können viel tun, um ihren eigenen Bedarf zu decken und langfristig gute Fachkräfte zu binden: durch attraktive Arbeitsbedingungen und gute Karrierechancen. Bei meinen Gesprächen mit der Branche erfahre ich regelmäßig von tollen Beispielen, die sich bewährt haben. Hier lohnt sich der Erfahrungsaustausch in den bestehenden Netzwerken wie automotiveland.nrw und NMWP.NRW, um voneinander zu lernen. Jeder kleine Beitrag hilft – genau das brauchen wir.

Kommen wir noch einmal zurück zu „Forschung und Entwicklung“. Auch im Bereich der Energieerzeugung und -speicherung ist NRW in Forschung und Entwicklung weit vorne, nicht zuletzt dank der exzellenten Forschungslandschaft im Land. Wie können wir die wissenschaftliche Exzellenz für die Wirtschaft nutzbar machen?

Die vielfältige Forschungslandschaft in Nordrhein-Westfalen bietet beste Voraussetzungen für die gesamte Innovationskette von der Grundlagenforschung bis hin zum Transfer in die Industrieunternehmen.

Um nachhaltige Technologien und innovative Produkte so schnell wie möglich in die Anwendung bringen, treiben wir die Vernetzung von Wirtschaft und Wissenschaft weiter voran. Dabei fördern wir gezielt Innovationen und festigen die enge Verbindung der Industrie mit unserer vielfältigen Forschungslandschaft, beispielsweise über unsere erfolgreiche Richtlinie progres.nrw – Innovation. 

Welche Rolle nehmen die Landescluster, wie beispielsweise AeroSpace.NRW, Automotiveland.NRW, und NMWP.NRW, Ihrer Meinung nach im Gesamtkontext des Technologietransfers ein? 

Die Cluster spielen eine wichtige Rolle als Drehscheibe für Zusammenarbeit und gemeinsame Strategieentwicklung und bieten Unternehmen Orientierung zu den neuesten Technologieentwicklungen. Als zentrale Schnittstelle sorgt unser Kompetenzzentrum NRW.innovativ zusammen mit Branchenclustern wie automotiveland.nrw für eine immer dichtere Vernetzung der Innovationslandschaft in Nordrhein-Westfalen. Auch die weiteren Cluster wie AeroSpace.NRW, NMWP.NRW sowie die für den Maschinenbau zuständige Plattform Produktion NRW übernehmen hier gemeinsam eine wichtige Funktion.

Die Mobilitätswende bietet vielen Unternehmen und Instituten das Potenzial mit innovativen Lösungsansätzen neue Märkte zu erschließen. Allerdings müssen sich hier auch die Anwender finden. Wie wichtig schätzen Sie die Rolle der Gesellschaft hier ein?

Nachhaltige Mobilität und ein zukunftsfähiges Verkehrssystem sind entscheidende Grundlagen für die Lebensqualität der Menschen und die Stärke der Wirtschaft in unserem Land.

Entscheidend ist, dass Nutzerinnen und Nutzer neue Formen der Mobilität leicht in ihren Alltag integrieren können. Dazu brauchen sie vielfältige attraktive Angebote, zugeschnitten auf die jeweiligen Anforderungen. Das Auto wird für die individuelle Mobilität auch in Zukunft eine zentrale Rolle spielen – aber klimafreundlicher und zunehmend automatisiert.

Bei allen neuen Technologien für die Mobilität gilt: Priorität hat die Sicherheit. Deshalb müssen die hohen Sicherheitsanforderungen bei der Entwicklung mitgedacht werden und Innovationen umfassend erprobt werden.

Abschließend: Welche Botschaft möchten Sie an die Bürgerinnen und Bürger von Nordrhein-Westfalen in Bezug auf die Zukunft der Automobilindustrie und die Bedeutung von nachhaltigen Technologien für den Klimaschutz richten?

Eine Zukunft, in der wir als Gesellschaft komfortabel, bezahlbar und klimaneutral von A nach B kommen, das ist unser Ziel für Nordrhein-Westfalen. Für die Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet das: Gerade im ländlichen Raum brauchen wir auch soziale Innovationen, damit wir dort Teilhabe auch ohne eigenes Auto in Zukunft ermöglichen können – in einem Verkehrsmix auf emissionsfreier Antriebsbasis. 

Um Elektromobilität noch attraktiver zu machen, braucht es vor allem genügend Möglichkeiten, sein E-Auto schnell und unkompliziert aufzuladen. Deshalb unterstützen wir den Markthochlauf der Elektromobilität schon seit einigen Jahren mit einem umfassenden Förderprogramm und setzen jetzt verstärkt vor allem auf den Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur.

Die Innovationen, die wir für eine klimaneutrale Zukunft benötigen, werden von Menschen gemacht. Die Beschäftigten in den Zulieferunternehmen in Nordrhein-Westfalen verfügen über herausragendes Know-How und enorme Erfahrung. Ich bin fest überzeugt: Wenn wir diese Kompetenzen klug einsetzen und fördern, wird es der Branche gelingen, sich in den Zukunftstechnologien stark aufzustellen und die Mobilität von morgen entscheidend mitzuprägen. 

Frau Ministerin Neubaur, vielen Dank für das Gespräch.

Cluster NMWP.NRW

Der Landescluster NanoMikroWerkstoffePhotonik.NRW handelt im öffentlichen Auftrag mit Sitz in Düsseldorf und entstand 2009 im Rahmen der Exzellenzinitiative der nordrhein-westfälischen Landesregierung zur Stärkung der Position NRWs in den Bereichen...mehr...