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Rheinmetall: Europa muss erwachsen werden

Investitionen, Resilienz und Hightech aus NRW: Im Interview erläutert Rheinmetall, wie Europas Sicherheitsindustrie die strategische Souveränität stärken kann – und warum Start-ups und KMU dabei wichtige Impulsgeber sind.

Die sicherheits- und geopolitische Lage hat das öffentliche und politische Interesse an Verteidigungsfragen grundlegend verändert. Wo steht die europäische Sicherheits- und Verteidigungsindustrie heute – insbesondere in Hinblick auf Resilienz, Souveränität und industriepolitische Verantwortung?

‚Europa muss erwachsen werden‘, lautete eine wichtige Erkenntnis in vielen Redebeiträgen während der Münchner Sicherheitskonferenz 2025. Die USA erwarten von ihren europäischen NATO-Partnern, deutlich mehr in die eigene und in die globale Sicherheit zu investieren. Vor diesem Hintergrund haben die NATO-Mitglieder während ihres Gipfels in Den Haag beschlossen, bis 2035 jeweils 5 Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts in Sicherheit und Verteidigung zu investieren. Diese Investitionen und diese Perspektive ermöglichen es der Industrie, weiterhin den Kapazitätsaufbau voranzutreiben, der für das Ziel der strategischen Souveränität Deutschlands und Europas notwendig ist. Die Rheinmetall AG übernimmt ihren Teil der Verantwortung, um zu einer wirksamen Abschreckung beizutragen und unsere Streitkräfte wieder ‚kriegstüchtig‘ werden zu lassen.

Kurze Lieferketten, regionale Wertschöpfung und eine stabile Zulieferbasis gelten als Schlüsselfaktoren für den Produktionshochlauf. Welche Rolle spielen diese Faktoren konkret für Rheinmetall – und wie kann das industrielle Ökosystem in NRW dazu beitragen?

Stabile Lieferketten sind essenziell für Rheinmetall. Deshalb haben wir verschiedenste und sehr ausdifferenzierte Lieferquellen aus allen Teilen der Welt. So vermeiden wir Abhängigkeiten. Desweiteren hat Rheinmetall IT-Systeme eingeführt, mit denen es möglich ist, den Rohstoff-Verbrauch im Konzern zentral genau zu überwachen und zu steuern. Das gilt auch und insbesondere für die Geo-Lokalisation der Lieferkette. Nordrhein-Westfalen gilt traditionell als das industrielle Herz von Deutschland, mit einer guten Zuliefererstruktur. Auch deshalb haben wir uns beispielsweise dazu entschieden, am Standort Weeze im Kreis Kleve rund 200 Millionen Euro in ein neues Werk zu investieren.

Viele Hightech-Unternehmen – insbesondere KMU und Start-ups – interessieren sich zunehmend für sicherheitsrelevante Anwendungen stehen jedoch oft massiven Einstiegshürden gegenüber. Was empfehlen Sie technologieorientierten Newcomern, um Zugang in die Branche zu finden?

Die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie stellt hohe Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Zertifizierung. Für Start-ups oder KMU kann das herausfordernd wirken – dennoch bieten sie wertvolle Impulse in Bereichen wie Digitalisierung, Sensorik oder KI. Wir empfehlen technologieorientierten Newcomern, sich frühzeitig mit den regulatorischen Rahmenbedingungen etwa in Bezug auf IT-Sicherheit, Exportkontrolle und ISO-/AQAP-Zertifizierungen vertraut zu machen. Zudem würden wir dazu raten, sich aktiv in sicherheitsnahe Netzwerke und Förderstrukturen einzubringen – beispielsweise über Fraunhofer oder über wehrtechnische Innovationscluster. Rheinmetall setzt bewusst auf Kooperation mit innovativen Partnern – sei es über Co-Development, Pilotprojekte oder strategische Allianzen. Wir begrüßen skalierbare, einsatzfähige Lösungen, die zur Stärkung unserer Streit- und Sicherheitskräfte beitragen.

Nordrhein-Westfalen verfügt über eine starke industrielle Basis und exzellente Kompetenzen in Bereichen wie Werkstoffe, Mikrosystemtechnik, Photonik und Nanotechnologie, aber auch Produktion, Logistik und Cybersecurity. Wie bewerten Sie NRWs Potenzial als wichtiger High-Tech-Standort für die europäische Wehrfähigkeit – und welche Technologien sind für Sie aktuell besonders relevant?

Nordrhein-Westfalen ist ein starkes Industrieland und trägt mehr als ein Fünftel zur bundesdeutschen Wertschöpfung bei. In Bezug auf die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie besteht für den Standort noch viel Entwicklungspotential. Unsere Ansiedlung in Weeze und die Umwandlung unseres Automobilzulieferer-Werkes in Neuss verdeutlichen dieses Potential. Am Niederrhein wollen wir künftig „das Herzstück“ für den modernsten und leistungsfähigsten Kampfjet der Welt – mit Stealth-Eigenschaften – fertigen. Und in Neuss am Niederrhein wollen wir in den Bau von SAR-Satelliten einsteigen. Das sind zwei aktuelle Beispiele aus der Spitzentechnologie, die zeigen, dass Nordrhein-Westfalen künftig auch im Bereich von „Aeronautics“ eine bedeutende Rolle spielen wird.

Neben technologischer Innovation stehen viele Unternehmen vor ganz praktischen Herausforderungen: Energiekosten, Fachkräftemangel und Skalierung der Produktion. Wie geht Rheinmetall mit diesen Fragen um – und welche politischen oder strukturellen Weichen müssten aus Ihrer Sicht gestellt werden, um die Leistungsfähigkeit dauerhaft zu sichern?

Insgesamt sind die politischen Weichen aus unserer Sicht gestellt. Rheinmetall durchlebt aktuell einen enormen Wachstumsprozess. Das ist natürlich auch mit Herausforderungen verbunden. Zwar ist die Bewerberlage für unser Unternehmen extrem gut, jedoch bleibt Einstellung tausender neuer Mitarbeiter in Deutschland und anderswo auf der Welt eine große Kraftanstrengung.

Cluster NMWP.NRW

Der Landescluster NanoMikroWerkstoffePhotonik.NRW handelt im öffentlichen Auftrag mit Sitz in Düsseldorf und entstand 2009 im Rahmen der Exzellenzinitiative der nordrhein-westfälischen Landesregierung zur Stärkung der Position NRWs in den Bereichen...mehr...