In NRW steckt viel Zukunft.
NMWP.NRW im Gespräch mit Mona Neubaur, Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen über die Rolle von Wirtschaft, Wissenschaft und Schlüsseltechnologien für Sicherheit und Verteidigungsfähigkeit Europas.
Frau Ministerin, die neuen sicherheitspolitischen Herausforderungen haben die Politik der letzten Jahre geprägt und zum Umdenken und einer neuen Priorisierung geführt. Inwiefern hat sich ihr persönlicher Blick auf das Thema Verteidigungsfähigkeit verändert?
Der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine war für mich ein politischer und persönlicher Wendepunkt. Der blutige Krieg Putins hat bei mir, wie auch bei vielen anderen ein Umdenken ausgelöst.
Unsere Freiheit, unsere Demokratie, Stabilität – all das ist nicht selbstverständlich. Es braucht Schutz. Und zwar nicht nur militärisch, sondern auch wirtschaftlich und gesellschaftlich. Lange Zeit war Frieden für uns ganz normal. Aber diese Sicherheit gibt es nicht mehr „einfach so“. Deshalb müssen wir uns neu fragen: Wie gehen wir mit unserer Verantwortung um? Und was erwarten wir von der Bundeswehr? Ich finde, sie sollte selbstverständlicher Teil unserer Gesellschaft sein. Sie ist zentraler Teil des Staats und genau so sollte sie auch gesehen und wertgeschätzt werden. Verteidigung betrifft nicht nur das Militär, sondern auch unsere Gesellschaft.
Eine stabile, wehrhafte Demokratie braucht klare Werte – aber eben auch moderne Technologien. Und hier spielt die Wirtschaft eine ganz zentrale Rolle. Künstliche Intelligenz, Digitalisierung oder neue Materialien werden immer wichtiger. Sie können unsere Verteidigungsfähigkeit genauso stärken, wie unseren zivilen Fortschritt. Entscheiden ist, dass wir ethische Leitplanken setzen und verantwortungsvoll damit umgehen.
Für mich steht fest: Wir brauchen eine ganzheitliche Vorstellung von Sicherheit – eine die Menschen mitnimmt, die Wirtschaft einbindet und die Demokratie schützt. Daran arbeiten wir in NRW Tag für Tag.
Europa steht sicherheitspolitisch unter Zugzwang. Welche Rolle kann die Wirtschaft Nordrhein-Westfalens – aber auch die Wissenschaft – aus Sicht der Landesregierung spielen, um einen substanziellen Beitrag zur Wehrfähigkeit Europas zu leisten?
Eine richtig wichtige. Wir haben das Glück in NRW, eine sehr breit aufgestellte und robuste Wirtschaft zu haben. Unsere Unternehmen – vom kleinen Start-Up über den Mittelstand, bis hin zu Großunternehmen – haben enormes Know-How. Und unserer Hochschulen und Forschungseinrichtungen, wie Fraunhofer oder DLR, bringen zusätzliches Wissen mit.
Dank der hier entwickelten und genutzten Schlüsseltechnologien ist NRW bedeutender Innovations- und Produktionsstandort für sicherheitsrelevante Technologien. Unsere Unternehmen liefern wichtige Bausteine: von künstlicher Intelligenz und Sensorik bis Leichtbau und Werkstofftechnik. In NRW steckt viel Zukunft.
Die Wissenschaft ist dabei nah am Puls der Zeit und wichtiger Partner von Unternehmen. Auch als Wegbereiter für Dual-Use-Innovationen können sie tatkräftig mitwirken. Darüber hinaus bringt die Wissenschaft strategisches Know-how mit ein, zum Beispiel in Cybersicherheit oder zu resilientem Schutz unserer Infrastrukturen.
Die Landesregierung hat das längst erkannt. Deshalb unterstützen wir gezielt Projekte, bei denen Wirtschaft und Wissenschaft zusammenarbeiten. Gute Ideen sollen nicht in Schubladen landen, sondern schnell in die Praxis kommen.
Die angekündigte Aufstockung der Verteidigungsbudgets erzeugt starke Nachfragesignale und damit auch große Chancen für technologieorientierte Unternehmen in Nordrhein-Westfalen. Wie bereitet sich die Landesregierung darauf vor, diese Chancen strategisch zu nutzen – auch mit Blick auf Fachkräfte, Flächen und Finanzierung?
Wir haben in NRW eine ganze Reihe von Clustern und Netzwerken, unter anderen NMWP.NRW und AeroSpace.NRW, die hervorragende Arbeit leisten und im Auftrag des Wirtschaftsministeriums einen entscheidenden Beitrag als Innovationsmotor liefern.
Das Wirtschaftsministerium nutzt unterschiedlichste Instrumente, um in NRW die Unternehmen bei den sich bietenden Chancen zu unterstützen. Zum Beispiel beim Infrastruktur- und Flächenmanagement für industrielle Expansion, dass das gute Ergebnisse erzielt, zeigt die Ansiedlung von Rheinmetall in Weeze. Wir unterstützen aber auch mit Fördermitteln (Rheinisches Revier), Internationalisierung (NRW.Global Business) und das BAFA bei Exportkontrollen.
Wir gehen auch in den aktiven Dialog mit unterschiedlichsten Akteuren, ermöglichen so eine strategische Koordination zwischen Land, Industrie und Wissenschaft. Ein besonderer Erfolg war etwa der Runde Tisch Defence: Zum ersten Mal haben wir rund 20 führende Unternehmen aus NRW zusammen an einen Tisch geholt. Das war ein echtes Signal: Wir wollen gemeinsam Verantwortung übernehmen.
Insbesondere für Unternehmen mit Kompetenzen aus Bereichen wie Werkstofftechnik, Automatisierung, Elektronik oder Cybersicherheit, aber auch dem Automotive- oder AeroSpace-Bereich eröffnen sich neue Marktchancen. Wie begleitet das Land diesen Wandel und unterstützt Unternehmen beim Einstieg in die sicherheits- und verteidigungsbezogene Wertschöpfung?
Das stimmt. In den genannten Branchen und Technologien können sich ganz neue Chancen für Unternehmen ergeben. Selbstverständlich müssen Unternehmen sie dann ergreifen. Natürlich liegt die Rüstungsbeschaffung beim Bund, aber wir als Land können trotzdem viel tun.
Denn auch für die SVI- Unternehmen geht es etwa um Bürokratie, Planungs- und Genehmigungsverfahren oder Energiepreise. Und daran arbeiten wir, etwa mit dem industriepolitischen Leitbild und dem Zukunftsdialog.
Darüber hinaus gilt konkret, eine Sensibilisierung für und nach Möglichkeit Unterstützung bei der Erschließung neuer Marktchancen im Bereich der SVI, zum Beispiel zu Einstiegsmöglichkeiten, regulatorischen Anforderungen und Partnerschaften zu schaffen. Dazu sind jedoch am Ende alle gefragt: Verbände, Kammern, Netzwerke und Unternehmen selbst.
Wichtig für NRW und die Wirtschaft in Deutschland oder Europa, wir müssen es schaffen, eine Brücke in sicherheitsrelevanter Wertschöpfung zu etablieren und die Entstehung von Wertschöpfungsketten zu begleiten. Dual-Use-Innovationen können zum Beispiel ein Einstieg in die SVI-Branche sein. Das gleiche gilt natürlich auch andersrum; Innovationen aus der SVI können ebenfalls einer zivilen Nutzung zugeführt werden. Unser Ziel ist es, kleine und mittlere Unternehmen gut zu begleiten – und gleichzeitig Wertschöpfung in NRW zu stärken.
Mit anwendungsgetriebenen Technologie-Initiativen wie aktuell im Cluster NMWP.NRW werden gezielt Netzwerke und Schnittstellen aufgebaut, um resiliente Wertschöpfungsketten zu schaffen, Innovationen zu fördern, die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie zu stärken und Unternehmen den Zugang zu erleichtern. Wie wichtig sind solche Cluster- und Plattformstrukturen für die wirtschaftspolitische Strategie des Landes im Sicherheits- und Verteidigungsbereich?
Sehr wichtig. Denn gerade in diesem Bereich ist Vertrauen entscheidend. Cluster und Netzwerke wie zum Beispiel NMWP.NRW bringen die richtigen Leute zusammen: Unternehmen, Forschung, Verwaltung. Das schafft Austausch, neue Ideen – und vor allem Partnerschaften.
Außerdem ist die Plattform eine wichtige Brücke: zu Fördergeldern, zu internationalen Kontakten und zur öffentlichen Hand. Sie macht NRW sichtbarer – nicht nur in Deutschland, sondern auch europaweit. Und sie hilft dabei, dass wir uns als starker Technologiestandort weiterentwickeln.
Das Alleinstellungsmerkmal solcher Plattformen, dass sie die technologieübergreifende Zusammenarbeit fördern, ist ein entscheidender Faktor, hiervon profitieren im höchsten Maße die sicherheitsrelevanten Bereiche. Die SVI ist ja die Anwendungsbranche für Schlüsseltechnologien par excellence.
Damit stärkt NRW seine Rolle im europäischen Sicherheits- und Verteidigungsökosystem.
Frau Ministerin Neubaur, wir stellen also fest, dass Nordrhein-Westfalen bereits heute im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie sehr stark aufgestellt ist. Was wünschen Sie sich für Nordrhein-Westfalen? Was soll passieren?
Wir haben viel angeschoben und erste Erfolge gesehen – aber wir sind noch nicht am Ziel. Zusammen mit unseren Clustern, den Unternehmen, der Wissenschaft und der Politik können wir uns diesen Herausforderungen aber stellen.
Bei aller Fokussierung auf ein mögliches Bedrohungsszenario, dessen sich die NATO und Europa ausgesetzt sehen, wünsche ich mir, dass die geschaffenen Angebote Möglichkeiten hervorbringen, die intensiv und zum Wohle der gesamten Wirtschaft und Gesellschaft genutzt werden.
Mein Wunsch ist: Lasst uns aus NRW heraus Impulse setzen – für eine innovative Wirtschaft, die unsere Demokratie stärkt. Und für ein Europa, das sicher, solidarisch und zukunftsfest ist.
Frau Ministerin Neubaur, vielen Dank für das Gespräch.
